Fight Fucking Fortress Europe! Evacuate Moria! (Redebeitrag bei der Mahnwache zur sofortigen Evakuierung der griechischen Flüchtlingslager)

Während in Deutschland Tag ein Tag aus die Rede von Solidarität ist, wird ein Scheiß darauf gegeben, was sich gerade an den Grenzen Europas abspielt. Unsere Wut ist kaum in Worte zu fassen. Das Fass ist schon lange übergelaufen. Evakuiert Moria. Öffnet die Grenzen. Schafft sichere Fluchtwege. Jetzt.
Während Deutschland nicht mehr aus dem solidarischen Klatschen kommt, sieht das für die schon immer nach außen Gedrängten, die nie in die Rechnung einbezogen wurden, deren Platz in der Wertschöpfungskette der des Lückenfüllens ist, ganz anders aus. Wer dazu gehört, wird anhand des Passes bestimmt. Für sie stehen nicht nur Rechte, sondern auch das Leben zur Disposition. Bei ihnen hieß es schon immer falls sie in Seenot geraten: „Vielleicht sollte man’s mit dem Retten lassen“. Bei ihnen heißt es jetzt: Corona bricht aus und sie Leben in Camps? Egal.
Das aber ist kohärent, sind die Lager per Definition der Ort, in dem alles zur Disposition steht – auch das bloße Überleben. In Moria gab es nun den ersten Corona-Fall; physical Distancing, Hygiene, Medizinische Pflege sind unmöglich. Eine hohe Quote der Menschen muss zu den „Risikogruppen“ gezählt werden.

Ohne es direkt zu sagen, ohne es vielleicht direkt zu meinen, wird die Corona-Solidarität zum Moment der Wiederentdeckung der nationalen Gemeinschaft – sogar als Schicksalsgemeinschaft. 200 000 als “Deutsche” anerkannte wurden aus aller Welt mit einer „Luftbrücke“ „Heimgebracht“: ins Beatmungsweltmeisterland. Ins Land, das sich am entspanntesten in der Krise bewegen, am leichtesten #FlattenTheCurve durchziehen kann und dann wieder aus der Krise Vorteile haben wird. Währenddessen wurden die Grenzen von einem auf den anderen Tag geschlossen und das humanitäre Bleiberecht suspendiert. Rechte Positionen werden Fakt und werden von der extremen Mitte euphemistisch verschleiert: So seien es nur Notmaßnahmen einer nationalen Gemeinschaft, die sich in der Katastrophe – ohne Böses zu meinen – nicht um Andere kümmern kann. Achso: Die Menschen in Moria können nicht gerettet werden, der deutsche Spargel aber schon: Dafür gehen die Grenzen auf. Was für eine heuchlerische miese Scheiße!
Die Wahrheit über diese Solidarität ist: Sie ist die Negation von Solidarität für ganz Viele. Sie ist also keine. Sie bedeutet nicht bloß zu akzeptieren, dass einige Menschen deutlich weniger Möglichkeiten haben als andere, eventuell auf einfaches Überleben reduziert werden. Jetzt bedeutet sie zu akzeptieren, dass einige wohl nicht einmal das dürfen. Und dass das kein Thema sein soll, weil gerade gilt: Es rette sich wer kann! Es ist die krasseste Entsolidarisierung: Der Rückfall in die barbarische Stammgemeinschaft der Nation.
Was wir schon vor Corona sagten, gilt umso mehr jetzt: „Die Bilder von Lesbos machen nun unsere Forderungen und eine Welt für offene Grenzen, Bewegungsfreiheit und diese ganz andere Welt, so verdammt konkret wie nötig. Diese Forderung sind keine radikalen, abstrakten Forderungen mehr.“

Egal ob trotz oder gerade wegen Corona. Es bleibt dabei: fight fucking fortress europe.
Lasst uns gemeinsam unsere Wut und Ohnmacht über die Verhältnisse in Entschlossenheit und Kraft wandeln. Lasst uns mit dem Abriss dieser zutiefst unvernünftig eingerichteten Welt beginnen!