Aufruf 22.02: Nationalismus ist keine Alternative, die befreite Gesellschaft schon!

“Ohne Antifa ist Alles nichts”
Zitat: “How We Win” Konferenz der Kampagne: Nationalismus ist keine Alternative*

Am 24.09.2017 ist die AfD mit 12,6 % in den Bundestag eingezogen. Ein Wandel im politischen Klima, der sich spätestens seit dem Aufkommen der PEGIDA-Bewegung im Jahr 2015 angebahnt hat, erreichte damit eine neue Qualität und eine erschreckende Realität. Wir wollen durch unseren entschlossenen Protest einer Normalisierung dieser Entwicklung entgegenwirken, zumal mit den kommenden Landtagswahlen, zumindest in Sachsen, eine Regierungsbeteiligung der AfD nicht mehr kategorisch ausgeschlossen scheint. Die AfD ist bei der Entwicklung einer autoritär abdriftenden Gesellschaft kein isolierter Akteur. Sie ist Teil eines Netzwerkes, zu dem unter anderem PEGIDA, die Identitäre Bewegung, Burschenschaften, das “Ein Prozent”-Netzwerk, das “Institut für Staatspolitik”, aber auch “klassische” neonazistische Kameradschaften gehören. Dieses Netzwerk, häufig als “Neue Rechte” bezeichnet, ist geeint in einer neofaschistischen Ideologie. Mit der AfD hat diese Sammelbewegung eine parlamentarische Vertretung und damit Zugang zu umfassenden Privilegien und Ressourcen. Sie professionalisiert und institutionalisiert sich, faschisiert Institutionen wie Polizei, Militär sowie Justiz von innen, und kann dank öffentlicher Gelder, Spenden und Mitgliedsbeiträgen expandieren.

Darüber wie die AfD politisch einzuordnen ist, wurde seit ihrer Gründung viel diskutiert. Es hat sich gezeigt, dass nicht der radikale Wirtschaftsliberalismus (in Form eines liberalen Marktkapitalismus à la Bernd Lucke) oder der bürgerlich-reaktionäre Wertkonservatismus (à la Frauke Petry) die ideologische Ausrichtung der AfD dominieren sollte; es ist das Völkisch-Nationalistische, was sinnstiftend, attraktiv und mobilisierend wirkt. Es zeigt sich insbesondere bei der Position der AfD, innerhalb eines Netzwerkes “neurechter” Akteure, dass es die gemeinsame Ideologie ist, die das Kennezeichnende dieser Sammelbewegung ist und nicht etwa einzelne tagespolitische Aussagen, die konkrete personelle Zusammensetztung oder die Ansichten der Wähler*innenschaft. Die gemeinsame Ideologie dieser Sammelbewegung basiert auf dem vermeintlichen Abwehrkampf eines konstruierten homogenen Volkes. Die dabei ausgemachten Feinde kommen von “oben” (“korrupte Eliten”), von “außen”(Geflüchteten) und von “innen” (ohnehin schon prekarisierten Gruppen, linken Aktivist*innen etc.). Die Funktionsweise dieser Ideologie ist simpel und durch die ökonomischen Verhältnisse und die herrschenden Vorstellungen und Diskurse in der bürgerlichen Gesellschaft gleichsam verbreitet. ökonomische Widersprüche und Ungleichheiten werden nicht als solche kritisiert, sondern ethnisiert, kulturalisiert sowie völkisch, rassistisch und nationalistisch überschrieben. Zwar unterscheidet sich die neofaschistische Ideologie vom historischen Faschismus und ist weiter gefasst als der spezifisch deutsche Nationalsozialismus. Die Techniken sind aber nicht gänzlich neu, der Neofaschismus setzt seine Schwerpunkte anders; er wendet sich insbesondere gegen Menschen muslimischen Glaubens und hetzt in antifeministischer Manier gegen LGBTIQs und Gender als soziales Konstrukt.

Die neofaschistische Ideologie übt tödliche Gewalt aus. Zum einen sehen sich Rechte Akteure im Aufwind, greifen den für legitim erklärten Feind an und machen dabei vor Angriffen auf Leib und Leben keinen Halt. Zum Anderen schafft es diese Ideologie, ihre Erzählungen breit in die Gesellschaft hineinwirken zu lassen und das Retten ertrinkender Menschen erscheint im öffentlichen Diskurs auf einmal verhandelbar. Gegen diese Entwicklung stellen wir uns entschieden. Menschenleben sind für uns nicht verhandelbar; Seenotrettung ist kein Verbrechen!
Auch die Einführungen neuer Polizeigesetze auf Grundlage fakten-resistenter Panikmache zeigen, dass die neofaschistische Ideologie in der bürgerlichen Demokratie anschlussfähig und die autoritäre Formierung eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung ist. Die AfD wird zunehmend zu ihrem organisatorischen Rückgrat. Ihre Niederlage muss Mindestmaß und zugleich die wichtigste Forderung unseres Widerspruchs sein: Darunter geht nichts, darüber geht es um alles.

Wir müssen die neofaschistische Ideologie überall dort, wo wir ihr begegnen, dekonstruieren und bekämpfen. Gleichzeitig müssen wir jedoch auch ein Angebot für ein solidarisches Miteinander schaffen. Wir können nicht erfolgreich sein, wenn wir uns in unsere eigene Komfortzone zurückziehen. Methoden und Codes, die eine linke Szene entwickelt hat, müssen daraufhin überprüft werden, inwieweit sie unnötig Abgrenzung und Zugangsbeschränkungen schaffen. Darüber hinaus müssen wir überall dort, wo Menschen an der politischen Teilhabe gehindert werden, Brücken schlagen. Soziale Kämpfe, die bereits geführt werden, können uns als Kristallisationspunkte dienen, an denen wir die Absurdität des Systems aufzeigen und die Frage nach einer befreiten Gesellschaft kollektiv stellen und beantworten. Wir müssen breite Netzwerke bilden und arbeitsteilig im gemeinsamen Kampf denken und handeln. Ein Nebeneinanderstehen von Herangehensweisen kann dabei von Vorteil sein. Dabei zeigt sich die Notwendigkeit eines gemeinsamen Ziels, welches unserer Meinung nach nichts weniger als die befreite Gesellschaft sein kann.

Horkheimers Maxime „Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom Faschismus schweigen“ bleibt dabei unsere zentrale Maßgabe. Wer den zivilgesellschaftlichen Schulterschluss mit dem Neoliberalismus von Macron und Co sucht, kämpft auf verlorenem Posten. Kulturelle Emanzipation gegen ökonomische Fragen auszuspielen besorgt das Geschäft der Rechten. Den Rechten die Opposition gegen eine Ordnung, die das Elend hier und anderswo massenweise produziert zu überlassen, wäre fatal. Genauso müssen wir jedoch, wenn wir mit bürgerlichen Kräften zusammenarbeiten, diese in die Verantwortung nehmen für das, was sie möglich machen. Dafür braucht es nicht nur Antifaschismus, sondern auch einen neuen Klassenkampf – und d.h. den Mut, den Konflikt mit den Profiteur*innen der kapitalistischen Produktionsweise zu suchen, um ihre Argumente zu dekonstruieren, ganz ohne Vernichtungsfantasien.

Wir werden daher am 22.02. nicht nur gegen die AFD als einen Akteur der neofaschistische Ideologie auf die Straße gehen, sondern unseren unversöhnlichen Widerstand gegen die gegenwärtigen Zustände zum Ausdruck bringen.

Einige unserer Inhalte sind Ergebnisse der “How We Win” Konferenz, der Kampagne “Nationalismus ist keine Alternative” von Anfang 2019. Inhaltlich haben wir in dem Aufruf einige Thesen der Gruppen TOP B3rlin sowie der Gruppe für Organisierten Widerspruch Hamburg aufgegriffen.