Redebeitrag: Demonstration gegen das neue Polizeigesetz NRW

All my friends are suspects – Münster

Redebeitrag auf der Demonstration gegen das neue Polizeigesetz NRW in Münster am 22.6.

Liebe Freund*innen, liebe Genoss*innen,

Wir freuen uns, dass heute am NRW-weiten Aktionstag gegen die Einführung des neuen Polizeigesetzes, auch in Münster so viele Menschen auf der Straße stehen. Das ist wichtig und notwendig.

48 Stunden in polizeilichem Gewahrsam ohne konkreten Tatvorwurf. Fußfesseln. Die Polizei als digitale Datensammel- und Manipulationsbehörde. Weitreichendere Befugnisse und militärische Ausstattung, die die Trennung zwischen Geheimdiensten und Polizei verschwimmen lassen. Aufenthalts- und Kontaktverbote. Verdächtigt sind wir alle.

Bayern hat es beschlossen, NRW will es abschreiben und Seehofer findet Gefallen daran. Das neue Polizeigesetz stellt den Gipfel eines Eisbergs staatlicher Autorität dar – Die Pointe eines reaktionären Rollbacks.

Die Polizei hat in ihrer Funktion die Aufgabe die Verfassung, das Grundgesetz und das in diesem Rahmen stattfindende alltägliche Leben zu schützen. Dabei gilt sie als vermeintlich neutrales Exekutivorgan. Doch was ist eigentlich neutral? Es wird sich darauf berufen, in der parlamentarischen Demokratie und der sozialen Marktwirtschaft einen funktionierenden gesellschaftlichen Ordnungsrahmen gefunden zu haben. Dabei ist dieser Ordnungsrahmen, in dem wir alle leben, nichts anderes als selbst eine Ideologie – Eine Ideologie, die als alternativlos gilt.

Die kapitalistische Ideologie bedeutet für alle das Streben nach Erfolg und Wohlstand. Uns wird beigebracht, unser Glück selbst in die Hand nehmen zu können. Alles was wir dafür tun müssen, ist hart und fleißig zu arbeiten. Doch dabei entstehen Brüche:
Menschen werden aus ihren Wohnungen zwangsgeräumt. Menschen müssen unter prekärsten Bedingungen arbeiten und leben. Menschen leiden unter Selbstoptimierungszwängen da sie den hohen Ansprüchen der Verwertung nicht gerecht werden. Studierende und Schüler*innen die nicht täglich aus dem Wunsch des Lernens aufstehen, sondern um bestmöglich auf eben jenen Leistungszwang vorbereitet zu werden.
Was passiert, wenn Menschen nach jahrelangem Arbeiten Sozialhilfe beziehen? Es gilt als Scheitern, als persönliche und private Krise.

Genau das ist Teil der Ideologie, die uns nicht erkennen lässt, dass es die private Krise nicht gibt. Es ist die Krise des Kapitals. Die Krise eines Staates, der den Rahmen für die Ideologie des Kapitalismus bietet.
Eine Polizei kann also niemals neutral sein. Sie schützt einen Staat, eine Wirtschaft, eine Ideologie die genau diese Brüche erst produzieren. In letzter Konsequenz bedeutet das: Nicht das System hat Brüche, sondern die Brüche haben System.

Das neue Polizeigesetz schützt genau diese Krise und kriminalisiert alle Menschen, die das gute Leben für alle fordern. Immer wieder solidarisieren sich Menschen im Kampf gegen Zwangsräumungen und fordern Städte für Menschen, die darin wohnen. (Queer-)Feministische Gruppen stehen in andauernden Kämpfen gegen die patriarchale Zurichtung der Gesellschaft und setzen sich für Selbstbestimmungsrechte ein. Es wird versucht der menschenverachtenden Asylpolitik in Deutschland auf verschiedenen Wegen zu widersprechen. Täglich kämpfen Menschen für Frieden in Kurdistan

Das neue Polizeigesetz lässt für diese Kämpfe kein Grund zur Hoffnung übrig. Im Gegenteil. Die politische Arbeit von all jenen, die diese Gesamtscheiße nicht einfach hinnehmen, wird an die Grenze der Unmöglichkeit gebracht. Dabei müssen wir erkennen, dass dieses System nicht erst mit Einführung des Gesetzes autoritäre Züge aufweist. Es ist das Produkt bereits autoritärer Verhältnisse. Dieser Staat schiebt Menschen ab oder lässt sie vor den Grenzen Europas ertrinken. FLTI* erfahren täglich Diskriminierung oder sexualisierte Gewalt. Menschen werden aus Ihren Wohnungen geräumt und Waffen weiterhin exportiert.

Anstatt auf Bedürfnisse und Forderungen emanzipatorischer Kräfte einzugehen, orientiert sich dieser Staat ganz weit rechts. Asylverschärfungen werden von der SPD mitbeschlossen. Ein Wagenknecht-Flügel in der Linkspartei kann sich nicht hinter die Forderung nach grundsätzlich offenen Grenzen stellen. Die Grünen halten einen Oberbürgermeister wie Boris Palmer aus Tübingen in ihre Reihen, der täglich rassistische Hetze verbreitet. Und da haben wir uns noch nicht einmal zum reaktionären Sumpf aus CDU und CSU geäußert. All dass, ist mitverantwortlich für Söder, Seehoher und Gauland. In einer Zeit, in der das Erstarken der AfD auch bedeutet, dass diese menschenverachtenden Inhalte den öffentlichen Diskurs bestimmen. In Zeiten, in denen Gendern als Wahn bezeichnet wird. In Zeiten in denen ein Backwarenhersteller Frauen erklärt, dass ein glücklicher Ehemann zur Fußballweltmeisterschaft wichtiger sei, als ihr Selbstbestimmungsrecht. In Zeiten in denen täglich Unterkünfte von Geflüchteten angegriffen werden. In Zeiten in denen Jüdi*innen betroffene von Antisemitischen Angriffen sind. In Diesen Zeiten verwundert es uns nicht, dass dieses System ein weiteres Instrument schafft um die wenigen verbliebenen emanzipatorischen Bestrebungen weiter zu kriminalisieren.

Wir wissen nicht ob sich das Polizeigesetz in NRW noch aufhalten lässt. Wir wissen aber, dass Aufgeben keine option ist. Wir dürfen nicht aufhören, der Logik von Kapital und Staat zu widersprechen. Es muss weiterhin um nichts anderes, als das schöne Leben für alle gehen.