Wem gehört die Stadt?!

Enteignung? Na klar! Es schäumt und brodelt. Hat es tatsächlich irgendwer gewagt den Begriff Enteignung in den Mund zu nehmen? Leider vergisst der unten verlinkte Artikel im Tagesspiegel einige entscheidende Aspekte. Ein Paar Gedanken unsererseits:
Dirk Enzesberger sagt: „Die Debatte rüttelt an den Grundfesten unserer Wirtschaftsordnung“
Wir sagen: „Gut so“

Seit Jahren zeichnet sich eine stetige Neoliberalisierung des Städtischen ab. Die kapitalistische Verwertung im Bereich Wohnen stellt dabei einen entscheidenden Aspekt dar. Wohnraum wird zur Ware. Wir erleben Preissteigerungen ins Unermessliche oder
Leerstände, die nach ausreichender Spekulationszeit erneut einen hohen Kapitalgewinn erzielen sollen.

Das Ergebnis der jahrelangen Institutionalisierung des neoliberalen Rollbacks ist das, was wir heute erleben. Die unternehmerische Stadt.
Die Stadt ist geprägt durch betriebswirtschaftliches Management und kapitalistischen Konkurrenzkampf um jeden Preis. Die Ideologie des Neoliberalismus bedeutet für die Stadt auf der einen Seite wohlfahrtsstaatliche Elemente abzubauen und zwingt sie zusätzlich in den Konkurrenzkampf um den besten Standort. Unternehmen könnten abwandern, Arbeitsplätze verloren gehen. Die Folge: Massive Aufwertungsprozesse, soziale Segregation, Gentrifizierung und Verdrängung. Entscheidungskompetenzen werden in die Verwaltung verlegt, dort nach Paradigmen der kapitalistischen Profitmaximierung getroffen und zeitgleich der demokratischen Partizipationsmöglichkeit entzogen.

Die zaghaften Versuche staatlicher Regulierungsmaßnahmen wie z.B. die Mietpreisbremse bleiben eine Farce.
Auch in Münster lässt sich die Zuspitzung des städtischen Verwertungsprozesses beobachten. Aufwertungsprozesse im Hafenviertel und steigende Mieten in der gesamten Innenstadt führen zu einer massiven Verdrängung marginalisierter und prekarisierter Bevölkerungsgruppen in einige Viertel am Stadtrand. Auch wenn die Stadt Münster aus einer historischen Kontinuität heraus nicht der Standort großer Industrien ist, weshalb der Konkurrenzkampf um die Ansiedlung großer Unternehmen eine eher untergeordnete Rolle spielt, trifft die gleiche Logik der Verwertung auch auf Münster als Hochschulstandort zu. Die Debatte um die zukünftige Nutzung des leerstehenden ehem. Finanzamtsamts stellt dabei ein aktuelles Beispiel aus Münster dar. Die Uni plant zwei Prüfungsämter an diesen Standort zu verlegen. Neben der generellen Irrsinnigkeit weiterer solcher Verwaltungsgebäude in der Innenstadt zu platzieren, würde damit auch der Ausbau der Universität vorangetrieben werden ohne zu bedenken das die jährliche Zuzugsrate von Studierenden bereits jetzt zur massiven Verknappung des Wohnraums beiträgt.

In dem besagten Artikel vom Tagesspiegel formuliert David Eberhart, Sprecher beim Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen: „Das Problem auf dem Berliner Immobilienmarkt ist die große Nachfrage und das geringe Angebot. Und da hilft nur: bauen, bauen, bauen!“ Selbstverständlich ist der quantitative Mangel an verfügbarem Wohnraum nicht von der Hand zu weisen. Dass „bauen, bauen, bauen“ aber der einzig mögliche Umgang darstellt, ist absurder Quatsch. Es gilt den Mangel an Wohnraum nicht als isolierte Problematik zu betrachten, sondern städtische Räume als vielschichtig und komplex zu begreifen. Die wahllose Flächenversiegelung an Stadträndern kann aus ökologischer Sicht keinen Sinn machen. Sie macht auch keinen Sinn, wenn wir Lebensräume schaffen, wo das veraltete Paradigma des motorisierten Individualverkehrs die Mobilitätsmöglichkeiten bestimmt. Das Vorhaben „bauen, bauen, bauen“ ist dann gescheitert, wenn es einzig dem Wirtschaftsstandort der Stadt oder der privatwirtschaftlichen Profitmaximierung nutzen soll.

An dieser Stelle kann die Forderung nach „Enteignung“ ein geeignetes politisches Mittel sein. Überall da, wo Wohnraum der neoliberalen Verwertungsideologie entzogen wird, sind wir ein Stück weiter als zuvor. Bei der Forderung nach Enteignung dürfen wir uns nicht von der Angst vor einem Tabubruch leiten lassen. Wir müssen gemeinsam lange und kontinuierliche, anstrengende und solidarische Kämpfe für ein besseres Leben für alle, gleich welcher Herkunft oder sexuellen Orientierung führen. Wir müssen uns wieder trauen „des deutschen höchstes“ Gut: Eigentum anzugreifen. Wir müssen die Idee vom solidarischen Leben im Herzen der Stadt materialisieren. Wenn wir dem eignen Anspruch nachkommen wollen, lebenswerte Städte für alle zu schaffen, müssen wir den Traum wahr werden lassen: Die Grundfesten unserer Wirtschaftsordnung ins Wanken bringen!

Den neoliberalen Konsens brechen
Wohnraum enteignen
für eine solidarische Stadt

Link zum zum zitierten Artikel des Tagesspiegel