Nachbetrachtung der Podiumsveranstaltung GANZ GROßES TENNIS

Die Auswirkungen des Rechtsrucks sind nicht nur für Aktivist*innen allgegenwärtig. Was sind Mittel und Wege einer erfolgreichen politischen Praxis? Was erschwert den Kampf gegen neofaschistische Strukturen? Diese und weitere Fragen wurden am 13 Juli in Münster diskutiert. Mit der Veranstaltung „Ganz Großes Tennis – Podium anlässlich der Sachsenwahl“ wollten wir, eklat Münster, die Aufmerksamkeit auf jene lenken, die sich in ihrer täglichen Praxis regelmäßig dem Rechtsruck in den Weg stellen.
Auf dem Podium vertreten waren Moritz aus Dresden von der Gruppe URA und dem umsGanze Bündnis, Clara aus Dortmund als Stimme lokaler antifaschistischer Strukturen, Andreas aus Eisenach sowie Jonas von der Kampagne „Nationalismus ist keine Alternative“. Die Veranstaltung wurde moderiert von Mia vom Antifa AK Köln, ebenfalls Teil des UmsGanze Bündnisses.

Ganz Großes Tennis – 13 Juli – Münster

Eine Audio-Aufzeichnung der Veranstaltung findet ihr hier.


Gleich zu Beginn der Veranstaltung wurden unterschiedliche Positionen deutlich. Jonas von

der Nika Kampagne führt den Rechtsruck auf die Krisenhaftigkeit einer kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zurück, die besonders im Zuge der Banken und Finanzkrise 2008 erneut zu Tage trat. Der reaktionäre Rollback habe demnach den Kampf um ein Stück vom künstlich knappen Kuchen im kapitalistischen Verwertungswahnsinn auf

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eine Frage von „innen und außen“ statt „oben und unten“ zugespitzt. „Die AfD stelle dabei das organisatorische Rückgrat dieser Formierung dar, wonach das rechte Projekt nicht als Alternative zur neoliberalen Ordnung antritt, sondern gewissermaßen die zweite Seite derselben Medaille darstelle“.

Besonders Andreas aus Eisenach stärkte hingegen die Position, dass der Begriff des Rechtsrucks nicht die Illusion aufbauen dürfe, dass rechte Gewalt oder menschenfeindliche Einstellungen in der sog. Mitte der Gesellschaft erst mit dem Aufkommen der AfD entstanden seien. Andreas engagierte sich viele Jahre in Eisennach an der Schnittstelle zwischen praktischem Antifaschismus und der Organisation alternativer Konzerte. „Ich kenne niemanden der nicht Opfer rechter Gewalt wurde. Auch vor dem Aufkommen der AfD“.

 

Auch Moritz aus Dresden bestätigte diesen Standpunkt. „Es sei eine Zunahme rechter Gewalt in den letzten Jahren zu beobachten aber Pogrome wie in Chemnitz oder Heidenau hat es auch in den frühen 90ern schon gegeben.“ Neu seien jedoch Bewegungen wie Pegida die einer sog. Mitte der Gesellschaft eine Sagbarkeit für ihre rechten Positionen ermöglicht. Das führe zur teilweise erfolgreichen Raumeinnahme von rechts, auch in ehemals eher linken Stadtvierteln (wie der Dresdner Nordstadt). In diesem Zusammenhang organisierte die Gruppe URA z.B. kürzlich die „Kein Viertel für Nazis“-Demonstration in Dresden.
Moritz aus Dresden bemerkt weiter, dass in großen Teilen Ostdeutschlands eine Zivilgesellschaft nahezu nicht existent ist: „Die sogenannte Mitte der Gesellschaft ist rechts.“

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In Dortmund, der Stadt die häufig als der „Osten des Westens“, aufgrund der hohen Konzentration an rechten Strukturen bezeichnet wird, ist der Rechtsruck in den letzten Jahren besonders im Vorgehen der Polizei spürbar geworden: „Dortmund gilt als Experimentierfeld für repressive Polizeistrategien“ so Clara. „Racial Profiling, Schleierfahndungen oder Großrazzien sind in der Dortmunder Nordstadt an der Tagesordnung.“ Nach Auffassung der Antfischist*in leistete die Dortmunder SPD dabei einen großen Beitrag, indem sie z.B. das Vorhaben einer Videoüberwachung zentraler Straßen in der Nordstadt unterstützt, während sie dieser vor einigen Jahren noch kritisch gegenüberstand.

Politische Handlungsstrategien gegen Rechts

Die unterschiedlichen Voraussetzungen der jeweiligen Städte spiegelten sich auch deutlich in den Strategien der politischen Arbeit wider, die hier schlaglichtartig zusammengefasst sind.
Dresden: „Zieht in den Osten!“
Antifa heißt im Osten zunächst einmal Selbstverteidigung, betont Moritz. Tagtäglich sind die Antifaschist*innen auf Angriffe und die Verteidigung eigner Räume vorbereitet. Immer wieder spricht Moritz den akuten Ressourcenmangel an. Dabei erstreckt sich ihre Arbeit nicht nur auf Dresden allein, sondern muss auch sämtliche Dörfer in der Nachbarschaft abdecken. Er benutzt den Begriff der „Feuerwehrpolitik“ und schildert konkrete Angriffe von Nazis. Dass Antifaschist*innen bei der Belastung mit 30 mit Energie und Nerven am Ende sind, sei kein Wunder. Neben der mangelnden Zivilgesellschaft mangele es an Ressourcen, um eine Antifa-Kultur auszubauen. Außerdem fehle es an solidarischen Rechtsanwält*innen, die Antifaschist*innen bei Repression unterstützen.

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Dortmund: „Eine gute Portion Pragmatismus.“
Clara betont die Dortmunder Zivilgesellschaft als einen entscheidenden und wichtigen Faktor. Obwohl sich linksradikale Gruppen in Dortmund in diesem Punkt uneins sind betont sie die Funktion von breiten Bündnissen und einer guten Portion Pragmatismus und Kompromissbereitschaft. Auf „klassische“ Antifa-Arbeit könne jedoch auch in Dortmund keinesfalls verzichtet werden.
Nika: „Den Rechtsruck aufhalten und den Linksruck einleiten.“
Jonas als Sprecher von Nika, sieht in dem organisatorischen Rückgrat, das vor allem in der AfD zu finden ist, den Hauptgegner, den es gilt durch eine konsequente Strategie des Non-Plattforming zu bekämpfen. So muss jede Veranstaltung der AfD problematisiert, skandalisiert und im besten Fall verhindert werden. Genauso wichtig ist es jedoch auch, Kräfte zu bündeln, in Form von offenen Treffen Organisierungsmöglichkeiten anzubieten, insbesondere auch in ländlichen Strukturen und eigene Ziele und Strategien in die Öffentlichkeit zu tragen.

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