Vive la Commune!

I.
[„Und wär es möglich, daß jemals Inseln schwämmen,
kein solcher Gischt umbraust’ sie, kein ähnlicher Triumph“]
 
Und doch ist sowas geschehen. Dass der Raum des Möglichen und Unmöglichen aufgebrochen wurde und anderes – wenn auch nur anfänglich – möglich wurde, wirklich wurde. Das geschah als Ausbruch von innen, im Aufstand, in der konkreten Solidarität von Menschen – und war doch ein Neues, ein Einbruch.
 
Es war höchste Vernunft, wirkliche Aufklärung: 

 
_Dass mit der Vormacht der zur Natur gewordenen Macht, der Übermacht der Natur, die sich in Herrschaft und ihren Mythen verdichtet, gebrochen wird._
 
_Dass Raum geschieht für eine Wahrheit, die so einfach ist: Keine Herrschaft; Reichtum für alle; alle bewusste und selbstbestimmte Subjekte einer gemeinsamen Geschichte, die jede* Einzelne als ihren Zweck hat_
 
_Dass das unbedingte Leben – das sonst stellvertretend von Künstler*innen erinnert wird – den Fluchtpunkt der Bemühungen darstellt und ins politische Handeln hineinruft_
 
Zwar nur ein Einbruch, zwar nur eine Andeutung. Und doch 72 der dichtesten Tage der Geschichte. 1776, 1789 kamen zusammen, wurden anderes: Liberty und Fraternité müssen jede Tyrannei abschaffen – ça ira bis zur Commune! Und sie zogen weiter, öffneten sich für 1917, 1968, heute und morgen.
 
Vive la Commune! 
 
II.
 
[„Von solcher Welle heißt es, sie töte und sie fälle –
Die albernen Laternen der Häfen blieben weit!“]
 
Und nicht geht es darum, auf die Commune „als einen überholten revolutionären Primitivismus“ zu schauen „dessen Irrtümer alle überwunden werden müssen“. Darin hat sich zu oft der linke Blick versteinert – und sofort wurde es Partei und Ergreifung der Macht und Mimesis der Logik des Staates. Und das Gespenst des Communismus wurde zu Clown und Monster.
 
Die Commune bleibt als „ein positives Experiment, dessen ganze Wahrheit noch nicht entdeckt und vollendet ist“ (internationale situationniste). Sie hat einen Raum geöffnet, um das andere zu sehen, zu begehren, zu tun: „Die Poesie des Unbekannten“ (Louise Michel). 
 
Uns kommt die Aufgabe zu, die Wahrheit der Commune zu begreifen, zu ergreifen und mitzunehmen in unseren Kämpfen: Ihre Wahrheit, die genau in ihren genialen Naivitäten, in ihrer frechen Direktheit, in ihrer Kühnheit – in vielem dessen, was ihr als Fehlschlag zugerechnet wurde – aufbewahrt ist.  
 
„Die große soziale Maßregel der Kommune war ihr eigenes arbeitendes Dasein“ – schrieb Marx, und hatte Recht. Die Gesellschaft, um die es geht, ist die, die den Widerspruch zwischen Leben der Einzelnen und gemeinsames Handeln einerseits, und der Form der Gesellschaft aufbricht – ohne Mythen der Unmittelbarkeit. Das hat die Commune sicher nicht erreicht, aber diese Frage deutlich ausgesprochen – wie sie später zu schnell verloren ging: Das ist die Frage des Communismus. 
 
Die Commune erinnern, ist sicher sein: „Es wird noch Versammelungen auf den öffentlichen Plätzen geben und Bewegungen, an denen teilzunehmnen ihr nicht zu hoffen gewagt habt“ (Breton).
Die Commune erinnern ist wissen: „…krepieren muss die Welt, wie sie heute lebt und sich benimmt. Das ist der wahre Fortschritt. Vorwärts, Leute, los!“ (Rimbaud).
 
Vive La Commune!
 
[„Des Meers Gedicht! Jetzt konnt ich mich frei darin ergehen,
Grünhimmel trank ich, Sterne, taucht ein in milchigen Strahl
und konnt die Wasserleichen zur Tiefe gehen sehen:
ein Treibgut, das versonnen und selig war und fahl…“]