Redebeitrag: Rassismus den Kampf ansagen – ZUE

Die Abschaffung des Asylrechts, die Verstärkung der Grenzen incl. Grenzschutz, die Errichtung rassistischer Barrieren im Landesinneren gegen sog. „kriminelle Ausländer“ usw. hat Hochkonjunktur. Jeder Mord, jeder Angriff auf Migrant*innen und Flüchtlinge, jedes faschistoide und rassistische Gesetz ist ein Sandsack mehr zur Verstärkung der rassistischen Deiche am Rande und im Innern Deutschlands. Es ist die Voraussetzung für das Deutschwerden der Einheimischen (nach dem Motto: geboren als Mensch, entwickelt zum Deutschen, geformt zum Vollstrecker)“.
Diese Worte von Pohrt aus dem Jahr 1997 könnten auch heute geschrieben worden sein – zwischen dem rassistischen Anschlag in Hanau und der nächsten Abschiebung nach Afghanistan, zwischen dem absoluten Elend in den Lagern an den EU-Außengrenzen und dem Alltag der Ausgrenzung in Einrichtungen wie der ZUE.

Es scheint zum Deutschsein dazuzugehören, Teil des rassistischen Systems zu werden, die Augen zu verschließen vor dem Elend, das unsere Abschottungspolitik provoziert und vor dem Alltagsrassismus, der als Maxime die deutsche Politik und Gesellschaft durchzieht. Beides sind immanente Bestandteile des bestehenden Systems: Abschottung und Ausgrenzung sind auch Ausdruck der neokolonialen Strukturen, die den Wohlstand der eigenen Nation garantieren, sie sind Ausdruck einer Machtpolitik, die Menschenleben als Faustpfand einsetzt. Es sind individuelle Schicksale und kollektives Leid, mit denen wir spielen, um eigenes politisches und wirtschaftliches Interesse durchzusetzen, sowohl auf internationaler Ebene als auch im Inland – und das nicht erst seit heute, sondern seit Jahrzehnten.

Doch woher nehmen wir das Recht, uns abzugrenzen, wenn wir abschieben und Grenzen schließen? Das Konzept dieser Grenzen ist alt, die Nationalstaaten, die durch sie geschützt werden, sind ziemlich jung – gleich bleibt, dass sie notwendig sind, um Privilegien zu sichern: Privilegien, die das Prinzip der Menschlichkeit von vorn herein unterwandern, denn ihre Existenz und noch dazu ihre gewaltvolle Verteidigung führen eine gewollte Unterscheidung ein zwischen „uns und denen“.
Es sind diese Privilegien, diese mordenden Ungleichheiten, die besonders augenfällig werden, wenn wir seit 10 Monaten denken, ein Hashtag Stayathome könnte uns retten, indem wir Selbstisolation und Abstand fordern (außer um zu Arbeiten natürlich), während wir gleichzeitig massenweise Menschen in Lagern zusammenpferchen, alle Regeln missachtend, die die eigene, die deutsche Bevölkerung so dringend einhalten soll: Wegen eines Covidausbruchs an einem anderen Ort waren Menschen am Anfang dieses Winters von dort in diese – ohnehin schon überfüllte – Einrichtung gebracht worden, ohne das Ergebnis ihrer Abstriche abzuwarten. In solchen Momenten wird die schamlose Selbstverständlichkeit, mit der Menschen anderer Herkunft mit anderem, sprich völlig ohne menschlichen Maßstab behandelt werden. Es ist Ausdruck eines tiefen Rassismus in unserer Gesellschaft, einer strukturellen Unterdrückung, die notwendig ist für die Wahrung unseres kapitalistischen Ausschlusssystems.

So wird die Geschichte der BRD auch zu einer Aneinanderreihung rechten Terrors. Dieser zieht sich wie ein roter Faden hindurch, immer wohlwollend gedeckt und befähigt vom Staat.
Als Reaktion auf die rechtsextremen Angriffe in Mölln, Solingen und Lichtenhagen in den 1990ern blieb die Verschärfung des Asylgesetzes und dessen faktische Abschaffung. Irgendwelche Tätigkeiten gegen Rechten Terror? – Fehlanzeige. Schon vor den Anschlägen hatte die CDU/CSU Fraktion im Bundestag für eine Grundgesetzänderung zum Asylgesetz geworben, und die Neonazis brachten ihnen dann die notwendige Mehrheit – denn die SPD kapitulierte und stimmte letztlich einer Änderung zu. Der Rassismus war also schon längst im Parlament, in dessen Mitte, angelegt und die Angriffe und Morde der Rechten wurden ein Werkzeug, um die eigenen rassistischen Ideen umzusetzen.

Geändert an diesen rassistischen Zuständen hat sich seitdem Nichts. Nach dem Anschlag von Hanau vor etwas mehr als einem Jahr, gab es Bekundungen aus allen Parteien, dass solch ein grausamer Anschlag nie wieder passieren dürfe. Doch politische Schritte folgten nicht. Untersuchungen zum Verhalten der Polizei, dem Waffenbesitz des Mörders bleiben aus, und auf die Fragen der Angehörigen wurde und wird nicht geantwortet. Zynisch ist es da, dass die CDU fast zeitgleich mit der Jährung des Anschlages einen Hochglanz Werbespot zur Bekämpfung von sog. „Clan-Kriminalität“ veröffentlicht, der nur so von Rassismus strotzt. Es ist die totale Normalisierung von Rassismus, die Augen werden verschlossen vor rechtem Terror und das Leid, das durch Rassismus entsteht, missachtet. Dies wird traurig sichtbar im Vollzug von Abschiebungen.
Denn es ist dieser institutionelle Rassismus, der Altagsrassismus, der Rassismus der sog. „bürgerlichen Mitte“, der zu einen Zustrom zum rechten Rand führt, der Rassismus salonfähig macht und Nazis in Sicherheit wiegt. Es ist dieser Rassismus, der Menschen in Moria einpfercht und sterben lässt. Es ist dieser Rassismus, der nach Syrien abschiebt, Geflüchtete kriminalisiert und Nazis gewähren lässt. Es ist der Rassismus der sog. „Mitte“ von CDU und SPD.
Auf diese Parteien und auf den Staat ist kein Verlass in unserem Kampf gegen Rassismus und Faschismus, denn sie wollen diese Probleme nicht lösen. Sie sind angewiesen auf Abschottung und Ausschluss.
Natürlich wissen wir, Rassismus ist ein hartnäckiger Gegner, dem wir überall begegnen, doch es ist einer, dem wir den Kampf ansagen. Stärke finden wir dabei nur gemeinsam, wenn wir uns organisieren. Denn wenn Staat, Polizei und die Rechten zeigen, wozu sie fähig sind, müssen wir zeigen, dass wir zusammen halten. Denn wenn wir Menschen um uns haben, denen wir vertrauen, mit denen wir uns beraten können, dann ist es möglich dem rassistischen Normalzustand zu widersprechen, hier in Münster, in Wien, auf Lesbos und überall.