(Langversion unten)
I. Still „mobilisierbare Deutsche“
Mobilisierbare Deutsche: so haben wir vor anderthalb Jahren unsere Broschüre genannt. Damals hatten wir uns die Anfänge der Schwurbler in Münster angeschaut und wie viele andere, die sich wie wir das Trauerspiel angeschaut haben sofort gesagt: Das ganze wird sehr Rechts enden.
Damals waren die Leute, mit denen wir uns beschäftigen mussten ein narzisstischer Lehrer, ein selbsternannter Lebenscoach mit einer Leidenschaft für alternative Wahrheiten, eine spirituelle Friedenskämpferin und ihr monologisierender YouTuber-Kumpel. Bei all ihnen zeichneten sich Motive ab die, weitergedacht, tief in einen verschwörungsgläubigen, braun-esoterischen, völkischen, antirationalen Sumpf führen. Aber so explizit war das erstmal nicht. Zumindest nicht, solange man sich nicht die menschenverachtenden Nachrichten in den Telegramchats durchgelesen hat.
Nun finden in Deutschland und in Österreich Mobilisierungen aus der gleichen Szene statt. Und scheinbar ganz plötzlich sind nun Nazis und neue Faschisten federführend. Auch in Münster sind Menschen wie der AfD-Mann Richard Mol oder der Nazi-YouTuber Gabbe mit von der Partie. Man würde am liebsten schreien: Das haben wir euch gesagt! Unsere These hat sich bestätigt: nicht wenige in Deutschland sind für eine rechte Mobilisierung bereit.
Corona bot einen Anlass, um eine unterschwellige Tendenz aufbrausen zu lassen und diverse Bereiche, die für eine solche Mobilisierung anfällig sind, zusammenzubringen. Dabei sind die Übergänge nach rechts fließend. Das erkennt man nicht zuletzt an den Parolen der Schwurbler: bei einem vagen Protest „gegen die Maßnahmen“ und „für Grundrechte“ bleibt es nicht. Anstelle einer bewussten Kritik von Gesellschaft und Ideologien bieten Schwurbler willkürliche Assoziationen an, bauen ihre Eindrücke zu Theorien um und docken an schon existierendes Verschwörungsdenken an.
Ein weiterer Teil der Parolen offenbarte aber schon früh, wie die gemeinte Alternative für die Schwurbler aussehen soll: völkisch, dauermobilisiert, durch und durch autoritär.
Hier haben wir sie, die ganz klassische konformistische Revolte, die aus ihrem eigenen Gestus der Rebellion heraus lebt, mit dem sie die unbegriffene Ohnmacht des bürgerlichen Subjekts durch eine phantasierte Selbstermächtigung zu überwinden versucht. Dabei bleiben die realen Gründe der Ohnmacht stets unangetastet und ungeklärt. Entweder verpasst die konformistische Revolte die realen gesellschaftlichen Verhältnisse konsequent, oder bestätigt und radikalisiert sie in ihrem unheilvollen Charakter.
All das ist brandgefährlich. Faschistische Gedanken werden nämlich dann bedrohlicher, wenn sie an Massen anschließen, die dabei denken, sie seien besonders rebellisch oder Ausdruck des „gesunden Menschenverstandes“. Wenn faschistisch Mobilisierte sich nicht explizit als Rechte verstehen und sie dabei laut weiter von „Freiheit“ reden können.
II. Die verdrängte Unfreiheit
Dabei könnte man die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und Zwecktauglichkeit der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung sehr wohl stellen, besonders wenn sie eine Einschränkung bestimmter Freiheiten mit sich bringen. Man muss aber in der Lage sein, diese Frage richtig stellen zu können. Und dafür braucht man vor allem einen richtigen Begriff von Freiheit.
Zuerst gilt: Es sind nicht erst die staatlichen Maßnahmen, die die Freiheiten einschränken. Es ist die Pandemie selbst. Eine Krankheit, die Gesundheit und Leben bedroht, schränkt Freiheit ein. Das gilt umso mehr für besonders gefährdete Menschen.
Und noch grundsätzlicher gilt: Die Unfreiheit der Pandemie verbindet sich mit der Unfreiheit, die dieser Gesellschaftsform eigen ist. Und deshalb hat diese Gesellschaft auch ein widersprüchliches Verhältnis zur Freiheit, obwohl sie ständig sich darauf bezieht.
Ob man es will oder nicht, unterliegt diese kapitalistische Gesellschaft sich verselbständigten Prozessen. Ihr letzter Zweck ist nicht die größtmöglichen Freiheit für alle, nicht die Hervorbringung der Mittel für ein gutes Leben für alle, nicht die Zurückdrängung der Lebensgefährdenden Aspekte der Natur. Vielmehr werden diese Ziele dem eigentlichen Zweck untergeordnet. Und dieser Zweck ist die Schöpfung und Akkumulation von Mehrwert.
In der Pandemie heißt das: Man wird eben doch nicht alles tun, um die Bedrohung durch Corona zu verringern und um solidarisch eine Antwort zu geben – und dabei Freiheiten nur so viel wie nötig einschränken. Man wird es, aufgrund der Form dieser Gesellschaft, nicht tun können – nicht wegen mangelndem Willen oder mangelnder Kompetenz, sondern weil dies in unserer Gesellschaftsform nicht funktioniert.
(1) Deutlich wurde: das Gesundheitssystem ist in dieser Gesellschaft kein Selbstzweck. Egal ob in der Sozialen Arbeit, der Physiotherapie oder im Krankenhaus, muss es auch immer darum gehen: die Ware Arbeitskraft wieder fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Wenn aber ein Gesundheitssystem die Pflege und Heilung von Menschen nicht zum Selbstzweck hat, kann es niemals vorbereitet auf eine unerwartete Pandemie reagieren. Noch weniger, wenn das Gesundheitssystem selbst zum Ort der Wertschöpfung umgebaut wird, was der Fall ist.
(2) So werden Impfstoffe als Ware produziert und vertrieben. Das hatte als Konsequenz vermutlich eine verspätete Entwicklung, eine bleibende Knappheit und eine höchst selektive Verbreitung, die ganze Regionen vergisst.
(3) So mussten die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung auch immer Wirtschaftsinteressen berücksichtigen. Wer in Betrieben arbeiten muss, konnte und kann nicht einfach ins Home Office gehen und ist damit einem höheren Infektionsrisiko ausgesetzt.
Es wurde viel getan, auch einiges richtig. Und trotzdem wurde das Handeln gegen die Pandemie immer anderen Zwängen untergeordnet.
III. Falsche Freiheit, keine Freiheit
Wer aber die Unfreiheit, die mit dieser Gesellschaftsform verbunden ist, nicht sieht, wird sich laut beklagen, dass Freiheiten durch die Corona-Maßnahmen bedroht sind. Er wird sich als verfolgt glauben.
Der Protest gegen die Maßnahmen wird zum Anlass, um den liberalen Institutionen die Sehnsucht nach der Urgemeinschaft des Volkes entgegenzustellen. Im gleichen Satz reden sie so von Freiheit und lösen sich als Individuen auf in eine vermeintlich ursprüngliche Gemeinschaft:
Diese völkischen und zutiefst unfreiheitlichen Vorstellungen dürfen keinen Raum bekommen!
IV. Die Mobilisierung, die wir bräuchten
Tatsächlich bräuchten wir eine Mobilisierung: Ja, für die Freiheit, für das Leben. Aber ganz anderer Art.
Eine Mobilisierung für die Freigabe der Patente. Eine Mobilisierung für die bestmögliche Bekämpfung des Virus selbst, ohne Rücksicht auf Profitinteressen. Eine Mobilisierung für eine solidarische Gestaltung der Maßnahmen, die keine zurücklässt und nicht zu Lasten von Freizeit und Privatleben geht, wenn andere Lösungen doch möglich wären. Eine Mobilisierung für eine solidarische Überwindung der Krise, damit ihre Kosten nicht auf die, die ohnehin am stärksten betroffen sind, abgewälzt wird.
Wir müssen aber mit euch ehrlich sein: Die Ziele, die wir eben aufgelistet haben, widersprechen den Leitprinzipien dieser kapitalistischen Gesellschaft, die sich immer an Mehrwertschöpfung orientiert, weil sie sich daran orientieren muss, um zu Funktionieren – und deshalb nicht menschlich funktionieren kann.
Lasst uns deshalb alles tun damit, wenn unglücklicherweise eine nächste Pandemie auf uns zukommt, sie uns mit einer anderen Gesellschaft auffindet: Eine Gesellschaft, die fähig ist, bewusst, selbstbestimmt und solidarisch gegen den Virus vorzugehen. Eine bewusste Vergesellschaftung, die ebenso bewusste und solidarische Maßnahmen zur Beendigung der Pandemie setzen kann. Eine Gesellschaft, die deutlich weniger Anlass dafür Anbietet, dass Menschen sich dem offenen Wahn hingeben.
Freiheit ist nur in einer solchen Gesellschaft möglich.
Langversion:
I. Still: Mobilisierbare Deutsche
Mobilisierbare Deutsche: so haben wir vor anderthalb Jahren unsere Broschüre genannt. Damals hatten wir uns die Anfänge der Schwurbler in Münster angeschaut und wie viele andere, die sich wie wir das Trauerspiel angeschaut haben sofort gesagt: Das ganze wird sehr Rechts enden.
Damals waren die Leute, mit denen wir uns beschäftigen mussten ein narzisstischer Lehrer, ein selbsternannter Lebenscoach mit einer Leidenschaft für alternative Wahrheiten, eine spirituelle Friedenskämpferin und ihr monologisierender Youtuber-Kumpel. Bei all ihnen zeichneten sich Motive ab die, weitergedacht, tief in einen verschwörungsgläubigen, braun-esoterischen, völkischen, antirationalen Sumpf führen. Aber so explizit war das erstmal nicht. Zumindest nicht, solange man sich nicht die menschenverachtenden Nachrichten in den Telegramchats durchgelesen hat.
Nun finden in Deutschland und in Österreich Mobilisierungen aus der gleichen Szene statt. Und scheinbar ganz plötzlich sind nun Nazis und neue Faschisten federführend. Auch in Münster sind Menschen wie der AfD-Mann Richard Mol oder der Nazi-youtuber Gabbe mit von der Partie. Man würde am liebsten schreien: Das haben wir euch gesagt! Unsere These hat sich bestätigt: nicht wenige in Deutschland sind für eine rechte Mobilisierung bereit.
Corona bot einen Anlass, um eine unterschwellige Tendenz aufbrausen zu lassen und diverse Bereiche, die für eine solche Mobilisierung anfällig sind, zusammenzubringen. Dabei sind die Übergänge nach rechts fließend. Das erkennt man nicht zuletzt an den Parolen der Schwurbler: bei einem vagen Protest „gegen die Maßnahmen“ und „für Grundrechte“ bleibt es nicht. Anstelle einer bewussten Kritik von Gesellschaft und Ideologien bieten Schwurbler willkürliche Assoziationen an, bauen ihre Eindrücke zu Theorien um und docken an schon existierendes Verschwörungsdenken an.
Ein weiterer Teil der Parolen offenbarte aber schon früh, wie die gemeinte Alternative für die Schwurbler aussehen soll: völkisch, dauermobilisiert, durch und durch autoritär.
Hier haben wir sie, die ganz klassische konformistische Revolte, die aus ihrem eigenen Gestus der Rebellion heraus lebt, mit dem sie die unbegriffene Ohnmacht des bürgerlichen Subjekts durch eine phantasierte Selbstermächtigung zu überwinden versucht. Dabei bleiben die realen Gründe der Ohnmacht stets unangetastet und ungeklärt. Entweder verpasst die konformistische Revolte die realen gesellschaftlichen Verhältnisse konsequent, oder bestätigt und radikalisiert sie in ihrem unheilvollen Charakter.
All das ist brandgefährlich. Faschistische Gedanken werden nämlich dann bedrohlicher, wenn sie an Massen anschließen, die dabei denken, sie seien besonders rebellisch oder Ausdruck des „gesunden Menschnverstandes“. Wenn faschistisch Mobilisierte sich nicht explizit als Rechte verstehen und sie dabei laut weiter von „Freiheit“ reden können.
II. Die verdrängte Unfreiheit
Dabei könnte man die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und Zwecktauglichkeit der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung sehr wohl stellen, besonders wenn sie eine Einschränkung bestimmter Freiheiten mit sich bringen. Man muss aber in der Lage sein, diese Frage richtig stellen zu können. Und dafür braucht man vor allem einen richtigen Begriff von Freiheit.
Zuerst gilt: Es sind nicht erst die staatlichen Maßnahmen, die die Freiheiten einschränken. Eine Krankheit, die Gesundheit und Leben bedroht, schränkt selbst Freiheit ein. Das gilt für besonders gefährdete Menschen. Ohne dass sich eine Gesellschaft entsprechend organisiert, um die Verbreitung des Virus einigermaßen unter Kontrolle zu behalten, sind sie entweder dem Virus ausgeliefert oder alleine damit gelassen, sich vor dem Virus zu schützen. Das gilt aber tatsächlich für alle, die etwa auf ein Gesundheitssystem angewiesen ist, dass durch die Pandemie riskiert bis zum Kollaps überlastet zu werden.
Eine infektive Krankheit, die an sich eine ausgeprägte soziale Dimension hat, verhält sich auf besondere Art zur Weise, in der das Soziale organisiert wird.
Und noch grundsätzlicher gilt: Die Unfreiheit der Pandemie verbindet sich mit der Unfreiheit, die dieser Gesellschaftsform eigen ist. Und deshalb hat diese Gesellschaft auch ein widersprüchliches Verhältnis zur Freiheit, obwohl sie ständig sich darauf bezieht. Ja, diese Gesellschaft erkennt viele Freiheiten der Einzelnen an, bemüht sich diese zu schützen – auch vor einem willkürlichen Zugriff durch den Staat. Gleichzeitig leben wir keineswegs in einer Gesellschaft, die auf die freie Bestimmung der Einzelnen das Gemeinsame bewusst aufbaut. Ob man es weiß oder nicht, ob man es will oder nicht, unterliegt kapitalistische Gesellschaft – zwar von Menschen erzeugten und getragen – aber sich verselbständigten Prozessen. Ihr letzter Zweck ist nicht die größtmögliche Freiheit für alle, nicht die Hervorbringung der Mittel für ein gutes Leben für alle, nicht die Zurückdrängung (für alle!) der Lebensgefährdenden Aspekte von Natur. Vielmehr werden diese Ziele dem eigentlichen Zweck untergeordnet, die Schöpfung und Akkumulation von Mehrwert durch Arbeit..
In der Pandemie heißt das: Man wird eben doch nicht alles tun, um die Bedrohung für Corona zu verringern, um solidarisch eine Antwort zu geben – und dabei Freiheiten nur so viel wie nötig einschränken. Man wird es, aufgrund der Form dieser Gesellschaft, nicht tun können – nicht wegen mangelndem Willen oder mangelnder Kompetenz (die es ja auch geben kann und gibt), sondern weil diese Gesellschaftsform nicht darauf angelegt ist.
Es beginnt damit, dass das Gesundheitssystem in dieser Gesellschaft nicht die Sorge um die Gesundheit der Menschen als ersten Zweck verfolgen kann. Es muss ihm immer darum gehen: die Ware Arbeitskraft – das wozu der Mensch zugerichtet wird und das, als was, der Mensch in dieser Gesellschaft zählt – wieder fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Hinzu kommt, dass jene Aufgabe der Reproduktion gleichzeitig unter die Kosten für die Ware Arbeitskraft fällt. Nach Logik des Kapitals gilt es aber, diese Kosten zu senken.
Wenn ein solches Gesundheitssystem die Pflege und Heilung von Krankheiten von Menschen nicht zum Selbstzweck hat, kann es niemals vorbereitet auf eine unerwartete Pandemie reagieren. Noch weniger, wenn das Gesundheitssystem selbst zum Ort der Wertschöpfung umgebaut wird, was der Fall ist. Das Coronavirus hat das ohnehin schon prekäre Verhältnis zwischen Produktion und Reproduktion noch stärker ins Wanken gebracht. Und der Staat, der immer auch ideeller Gesamtkapitalist ist, muss Abwägen zwischen Schutz der Gesundheit der Menschen – die für es ja auch nur als Staatsvolk und als Nationale Arbeitskraft zählen – und Erhalt der ökonomischen Leistung, das erste zu Diensten des zweiten in Angriff nehmend. So wird nicht und kann auch nicht wirklich die Produktion temporär eingestellt werden, so darf aber auch nicht das Gesundheitssystem gesprengt werden. Der Mittelweg geht so weit es möglich ist zu Lasten des alltäglichen, „privaten“ Lebens der Menschen.
So werden Impfstoffe als Waren produziert und vertrieben. Das hatte als Konsequenz vermutlich eine verspätete Entwicklung, eine bleibende Knappheit und eine höchst Selektive Verbreitung, die ganze Regionen vergisst.
Es wurde viel getan, auch einiges richtig. Und trotzdem wurde das Handeln gegen die Pandemie immer anderen Zwängen untergeordnet. Die bisherige Antwort auf das Coronavirus und seine Todesdrohung ist oft genug auch ein Appeasement mit dem Tod und damit ein Scheitern von Zivilisation gewesen: Man nimmt das Sterben in Kauf, man macht das Sterben zu einer Variabel unter anderen. Zumindest das der anderen.
III. Falsche Freiheit, keine FreiheitWer aber die Unfreiheit, die mit dieser Gesellschaftsfom verbunden ist, nicht sieht, wird sich laut beklagen, dass Freiheiten durch die Corona-Maßnahmen bedroht sind. Er wird sich am Ende als verfolgt glauben.
Die eine Spielart beginnt ökonomisch und ideologisch liberal. Wenn man den Glauben vertritt, dass Gesellschaft spontan zusammenkommt, wenn jeder gemäß seinem Interesse handelt, dann wird verkannt, dass es einen grundlegenden Zwang gibt, der diese Gesellschaft mit sich bringt und dass es DIE Aufgabe von Gesellschaft ist, sich am Zwang der ersten Natur abzuarbeiten und diesen zu verringern – am besten für alle. Indem sie diesen Zwang verkennen, bestätigen sie ihn aber und lassen ihn besonders auf die lasten, die keine ökonomische und politische Mittel haben, um sich selbst davor zu schützen. Deshalb ist ihr Ruf nach Freiheit von Maßnahmen und Einschränkungen in Wahrheit oft genug ein verkapptes Lob auf die Unfreiheit, die für viele resultiert, wenn keine Vorkehrungen getroffen werden.
Andere gehen den direkten weg, und affirmieren die Dimension einer mythisch verklärten Natur, die sie in ihrer Sehnsucht nach einem unvermittelten Kollektiv verdoppeln.
Das gilt für die unterschiedlichen Esos und Spirituellen, für die man die Krankheit als Teil des Selbstheilungsprozess bejahen sollte, oder sich darin geschützt wissen wollen, dass sie sich in die Einheit mit sich selbst hineinmeditieren. Ohnehin sei die Echte Bedrohung die Angstmache durch das Gerede über eine Pandemie, die Menschen aus ihrem Gleichgewicht führt und voneinander trennt – oder die Impfung, die das Immunsystem zersetze.
Das gilt für die Faschisten und Nazis. Der Protest gegen die Maßnahmen wird zum Anlass, um den liberalen Institutionen die Sehnsucht nach der Urgemeinschaft des Volkes entgegenzustellen. Im gleichen Satz reden sie so von Freiheit und lösen sich als Individuen auf in eine vermeintlich Ursprüngliche Gemeinschaft auf. Der Faschist hasst es, dass der Mensch sich in der offene Aufgabe findet, das gegebene zu Vermitteln. Auf die Tatsacche, dass die gegebenen Vermittlungen, insbesondere die liberale Gesellschaft, diese Aufgabe nicht wirklich im Sinne menschlicher Ziele einlösen, reagieren sie mit der Preisgabe der Aufgabe selbst.
Diese merkwürdigen aber nicht verwunderlichen Allianzen müssen gestoppt werden. Sie dürfen keinen Raum bekommen, weder auf den Straße noch dadurch, dass man sich von ihnen Erpressen lässt, wie zu häufig der Fall ist.
IV. Die Mobilisierung, die wir bräuchten
Tastächlich bräuchten wir eine Mobilisierung: Ja, für die Freiheit, für das Leben. Aber ganz anderer Art.
Eine Mobiliserung für die Freigabe der Patente. Eine Mobilsiierung für die best mögliche Bekämpfung des Virus selbst, ohne Rücksicht auf Profitinteressen. Eine Mobilisierung für eine solidarische Gestaltung der Maßnahmen, die keine zurücklässt und nicht zu Lasten von Freizeit und Privatleben geht, wenn andere Lösungen doch möglich wären. Eine Mobilisierung für eine solidarische Überwindung der Krise, damit ihre Kosten nicht auf die, die ohnehin am stärksten betroffen sind, abgewältzt wird.
Wir müssen aber mit euch ehrlich sein: Die Ziele, die wir eben aufgelistet haben, widersprechen den Leitprinzipien dieser kapitalistischen Gesellschaft, die sich immer an Mehwertschöpfung orientiert, weil sie sich daran orientieren muss, um zu Funktionieren – und deshalb nicht menschlich funktionieren kann.
Lasst uns deshalb alles tun damit, wenn unglücklicherweise eine nächste Pandemie auf uns zukommt, sie uns mit einer anderen Gesellschaft auffindet: Eine Gesellschaft, die fähig ist, bewusst, selbstbestimmt und solidarisch gegen den Virus vorzugehen. Eine bewusste Vergesellschaftung, die ebenso bewusste und solidarische Maßnahmen zur Beendigung der Pandemie setzen kann. Eine Gesellschaft, die deutlich weniger Anlass dafür Anbietet, dass Menschen sich dem offenen Wahn hingeben.
Freiheit ist nur in einer solchen Gesellschaft möglich.