Blaugrüne Scheiße – Die zweifache Gewalt in Lützerath

Gewalt hoch zwei

Hundertschaften und Schmerzgriffe, Schlagstöcke und Pfefferspray, nächtliche Räumungen und verwehrte Sanitäter*innen-Einsätze: Die ganze Gewalt der Polizei wird gerade gegen die Menschen losgelassen, die sich der weiteren Kohlebeförderung in Garzweiler widersetzen. Als Hohn obendrauf erklingen polizeiliche Aufforderungen zur Gewaltlosigkeit der Aktivist*innen. Als Gewaltmonopolist wäre der Staat ja eigentlich primär dafür, dass offene Gewalt und Erpressung als Mittel, um Beziehungen und Verhältnisse in der Gesellschaft zu regeln, aus dem Raum geschafft werden. In Lützerath aber wendet der Staat diese Gewalt an, um selbst Dinge zu regeln, im Dienste des Partikularinteresses von RWE. Wie geht das denn? Darf er das?

Er darf und soll das, nach seiner Logik und seinen Gesetzen. Er verteidigt damit Eigentum und handelt im Dienste des besseren Gelingen von Kapitalakkumulation. Beides ist für diesen Staat eine wesentliche Aufgabe. Dieser Staat steckt ja einerseits die Bedingungen ab, unter denen kapitalistische Ausbeutung gelingt – genau in der Form des freien Tausches zwischen rechtlich gleichen Eigentümer*innen. Und er kümmert sich darum, dass die Kapitalakkumulation im Raum der Nation am besten zustande kommt, handelt dafür hin und wieder auch gegen die Interessen der einzelnen Kapitalist*innen – im Fall von Lützi aber ganz offen im Einklang mit dem unmittelbaren Interesse von RWE. Darin übernimmt aber der Staat nicht einfach eine Funktion des Kapitals: Er setzt sein eigenes Interesse um und stellt dem Kapital seine eigene Gewalt zur Verfügung: eine Gewalt, die das Kapital selbst nicht hätte.
Diese Gewalt dient dabei gerne dazu, unmittelbare Krisen zu überbrücken: Hier geht es darum, den energetischen Engpass durch Rückgriff auf Kohle zu lindern. Die Bereitstellung dieser Gewalt ist also selbst eine der Funktionen diesen Staates und ergänzt und erhält dabei die stumme und diffuse Gewalt des Kapitals selbst, die schon immer in die Lohnarbeit zwingt, die Welt rassistisch und patriarchal aufteilt und akut die Natur bis zum Kollaps verheizt. Sie ist eine „Gewalt hoch zwei“: Die Gewalt des Staates wirkt gegen jede ernsthaftere Regung des Widerstandes gegen die Gewalt dieser Verhältnisse erklärt diese zur illegalen und nicht tolerierbaren Gewalt. 

Und ja: Gegen diese zynische, destruktive und repressive Gewalt sind ein paar Steine das Mindeste. Gegen diese Gewalt stehen wir gerne bereit! Doch wir schämen uns nicht zu sagen, dass wir auch Angst haben. Wir mögen diese Härte nicht, wir wollen sie nicht, aber sie existiert. Unser Widerstand ist an erster Stelle unser Zusammenkommen und unsere Solidarität. Zu allem weiteren werden wir durch äußere Umstände gezwungen. Für die Abschaffung der Angst! 

Grüne Scheiße

Grüne LOL. Darüber muss man wohl nicht lange diskutieren. Unter allem Niveau der Kritik ist, wer nicht mal ein paar Monate die Farce der „Grünen Wende“ aufrechterhalten konnte und sehr schnell ins Bett der Kohlekonzerne geschlüpft ist. Noch gestern waren FFF-Demos das heißbegehrte Zielpublikum, heute schickt man Knüppel und eigene RWE-Polizeisammeltransporter gegen ihre Aktivist*innen. Dafuq?!
Und dort, wo sie gemäß ihrer zeitgemäßeren Berufung agieren und als Prophet*innen des Green New Deals auftreten, werden sie erst recht zum Gegenstand der Kritik – und zwar zu einem der dringendsten. Die Grünen sind die beste und zuverlässigste Partei des Kapitals in seiner gegenwärtigen Phase. Mit der Grünen Wende (die aber wegen der Konjunktur doch nun kurz warten soll), streben sie nichts anderes als Konkurrenzvorteile für die deutsche Wirtschaft an, indem sie den für das Fortwähren der Kapitalakkumulation notwendigen Umbau der Produktion einleiten.
Nachhaltig ist die Grüne Wende wohl kaum – sie setzt auf krasseste Umweltzerstörung in anderen Regionen, sie bedarf langer Transportwege, sie ist nicht denkbar ohne übermäßige Ausbeutung rassifizierter Arbeit. Vor allem aber: Sie unterbricht nicht den doch immer wieder auf Natur zurückfallenden ununterbrochenen Zwang zur Kapitalvermehrung.

1980 wussten die Grünen noch, dass Kapitalismus „gekennzeichnet ist durch die zunehmende Zerstörung der Lebensgrundlage der Menschen“ und „dass in einem begrenzten System kein unbegrenztes Wachstum möglich ist“ und dass dagegen nur „eine Gesellschaft, die demokratisch ist, in der die Beziehungen der Menschen untereinander und zur Natur bewusster gehandhabt werden“ (Call it by its name: Communism!).

Jetzt sind aber diese Worte nur noch „Ideologie“, deren Zeitalter ja vorbei sei: man ist längst politikfähig, regierungsfähig und wohl kanzlerfähig geworden. Außerdem sind die Grünen dabei ganz schön deutsch geworden: Mit ihrem moralischen Anspruch verlangen sie von den Bürger*innen vorauseilenden Gehorsam, Opfer und Hinwendung für die gute Sache.
Wahrhaftige Liberale erkennen wenigstens das Streben der einzelnen nach ihrem eigenen Interesse an: die Grünen verlangen die Hingabe zu einem Kollektiv der Guten – das Deutschland letztendlich doch nur wieder groß machen soll.Aber hey, bei aller Heuchlerei, die sicher auch im Spiel ist, ist es kein Wunder, dass die Grünen so handeln. Im Grunde muss es so sein, da sie Partei in diesem Staat sind. 

Gefangen im Spiegelspiel

Über die Grünen braucht man sich aber nicht zu wundern: Was subversiv angetreten ist, kann nicht anders als systemtragend enden, wenn es nach den Regeln spielt. Da hilft auch keine sich so militant gebärende Parteijugend. Da würde aber auch keine neue linke Partei viel ändern. Die Politik der Parteien in den Parlamenten wird sich am Ende immer darum kümmern müssen, dass die Kapitalakkumulation innerhalb der Nation gut gelingt: Sei es auch nur, um die für die eigene Fraktion typischen Wahlversprechen umsetzen zu können, so progressiv sie auch anmuten. Die Vielfalt der entgegengesetzten Positionen wird selbst zum Spiegelspiel, aus dem immer das gleiche Bild rauskommen muss: Wertschöpfung, gelinge! Wenn es sein muss, wird dann selbst die Partei, die „Grün“ in ihrem Namen trägt und antikapitalistisch und antiautoritär angetreten ist, auf einmal gewaltlüsterne Bullen schicken, um den Weg für die Kohlebagger freiräumen zu lassen. Und das, während die Klimakrise nicht mehr zu übersehen ist und sie selbst – zwar mit der Mogelpackung der „Grünen Wende“ – vor ihren Wähler*innen angetreten waren, um den Ausgang aus den fossilen Energien zu befördern. 

Aber der Politikwissenschaftler Agnoli wusste es: Das Gebäude der „verantwortungsvollen Politik“ hat einen Eingang und keinen Ausgang: „Erst in dem verantwortungsbewussten, nicht bloß gesinnungsmäßigen Eingang in den Palast zeigen sie ihre „Fähigkeit zur Politik”. Handelt eine Gruppe verantwortlich, so legt sie alles Subversive ab, arbeitet mit am Auf- und Ausbau und erlangt derart volle Akzeptanz: Sie wird zunächst oppositionsfähig; sodann koalitionsfähig: schließlich regierungsfähig: fester Bestandteil der Macht, der das vormals Unbotmäßige in den Palast einfährt und es in die Normen, Spielregeln, Einzäunungen zurückholt. Anders gesagt: Sie wird systemische Funktion ebenso wie ihre Vertreter sich in Funktionäre der Repräsentanz verwandeln“ (Johannes Agnoli).

Wohlgemerkt: Wenn wir hier Parlamentarismus kritisieren, dann nicht, weil er uns zu ergebnisoffen sei, und wir dagegen meinen, das einzig Gute zu kennen. Im Gegenteil, der Parlamentarismus im Staat des Kapitals ist eben – bei allen realen und zum Teil relevanten Differenzen unter Parteien, bei allen Vorzügen gegenüber Herrschaftsformen – zu sehr vorbestimmt. Das Wesentliche und Dringliche – die Frage danach, in welcher Weise, mit welchen Zielen und welchen Kosten produziert wird und wie der Reichtum aufgeteilt wird – steht nicht zur Disposition. Das heißt aber, dass der Raum, in dem die Lösung an der Wurzel der relevanteren Probleme der Gegenwart angegangen werden könnte, nie im Rahmen der bürgerlichen Demokratie erreicht wird. Wenn wir also Parlamentarismus kritisieren, dann nicht, weil wir eine organische, kollektivistische Gesellschaft im Blick haben, in der alles – sei es auch auf die beste Art und Weise – vorbestimmt ist. Wir kritisieren Parlamentarismus, weil eben feststeht, was im Großen und Ganzen rauskommen muss, weil eben nicht über die realen Lösungen gemeinsam gesucht und gestritten werden kann, gemeinsam und darin bewusst und selbstbestimmt, durchaus in einer Pluralität von Meinungen und Positionen. Das wiederum – und nichts anderes, was sich jemals so genannt hat – wäre Kommunismus. Aber ja: Im Fall von Lützi wäre es glasklar und es stünde nicht zur Frage, dass sofort mit der Kohleförderung aufgehört werden muss. Kohleenergie ist nicht vernünftig und keine Option. In diesem politischen System ist sie es aber – und zwar wieder die Option der Wahl.

Wir sagen: Erkämpft mit uns eine lebenswerte Zukunft – die nur in der befreiten Gesellschaft liegen kann!
Gegen diese blaugrüne Gesamtscheiße!