Redebeitrag: AfD Neujahrsempfang 20.01.

Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Münsteraner Stadtgesellschaft!


Der Neujahrsempfang der AfD gehört mittlerweile schon fast so fest zum Münsteraner Jahresablauf wie der Send. Dieses Jahr setzt der Bezirksverband trotz -oder gerade wegen- seiner desolaten Lage einen drauf: Mit der Einladung an Björn Höcke bekennt man sich nun endgültig zum rechtsextremen (und eigentlich aufgelösten) Flügel, einer rechtsextremen Splittergruppe in einer schon rechtsradikalen Partei. Damit wäre eigentlich schon genug gesagt. Aber es lohnt sich dennoch, sich die heute geladenen hohen Gäste noch ein mal genauer anzuschauen. Da wäre zuerst einmal der bereits genannte Björn Höcke, der nach einem Gerichtsurteil von 2019 ganz rechtens als Faschist bezeichnet werden darf. Dass er mit dieser Ideologie keinerlei Berührungsängste hat, macht er in seinen Äußerungen immer wieder deutlich: Mal schwadroniert er vom „letzten Degenerationsstadium der Demokratie“, um sich dann im nächsten Atemzug wieder einen „Führer“ zu wünschen. Wen er sich in dieser Rolle wünscht, lässt er zwar offen, aber die Vermutung liegt nahe, dass er hier seine eigene Machtgeilheit projeziert.Das zweite Sternchen am kackbraunen Himmel heute Abend ist Christian Blex. Zwar dümpelt dieser nette Herr seit letztem Jahr als Fraktionsloser im Landtag von NRW durch die Gegend, aber auch er lässt sich dem „Flügel“ zuordnen. Wenn er nicht gerade auf Twitter gegen alle hetzt, die nicht in sein sehr eingeschränktes Weltbild a la „Ehe, Küche, Vaterland“ passen, dann besucht er gerne autoritäre Herrscher: 2018 unterhielt er sich auf seiner „Syrienfahrt“ mit dem Großmufti von Damaskus und machte deutlich, dass er dem politischen Stil eines Bashar Al Assads durchaus etwas abzugewinnen hat. In diesem Atemzug erklärte er Syrien übrigens auch – vermutlich gestützt von seiner großartigen Expertise – zu einem sicheren Herkunftsland. Den Vogel schoss er jedoch im letzten Jahr ab: er besuchte die im Rahmen des imperialistischen russischen Angriffskrieg besetzten „Volksrepubliken“ Donbass und Cherson. Man scheint in der AfD also auch zu einem Putin durchaus Parallelen zu sich selbst ziehen zu können. Kein Wunder, verteidigt der neue Zar von Moskau doch die Werte des „alten Westens“ gegen die Dekadenz der Moderne; namentlich: Rechte von Frauen und LGBTQ-Personen, freie Presse, Säkularität… die Liste ließe sich ewig fortführen.Letzter, aber nicht weniger verabscheuenswerter Gast heute Abend ist Daniel Zerbin. Recherchen zufolge gilt er als Bindeglied zur völkisch-faschistoiden „Identitären Bewegung“ und der „Jungen Alternative“, aus deren Reihen der ehemalige Oberstleutnant und Kampfsporttrainer auch rechte Schlägertrupps rekrutiert. Ein Blick auf die Facebookseite seines Sportstudios mit dem vielsagenden Namen „Sparta“ offenbart, welche Vision er von einer Gesellschaft hat: starke Männer, ohne jede Spur von Emotion, die ihr Vaterland verteidigen und unterwürfige, blonde, gebährfreudige Frauen, die ihren tapferen Kriegern die Wunden pflegen. Kommt einem irgendwie bekannt vor, oder? 

Halten wir kurz fest: heute versammelt sich hier die Creme de la Creme der Neuen Rechten aus NRW und Deutschland. In diesem Jahr sind aber nicht nur die Gäste beachtenswert, sondern auch der Titel der Veranstaltung und seine Implikationen: Man trifft sich unter dem feschen Titel „Frieden für Deutschland, Europa und die Welt.“ Zynischer und deutscher wird es wohl kaum: natürlich steht die geliebte Heimat an allererster Stelle; es gilt ja die Parole „Deutschland zuerst!“ Dass man sich damit ganz bequem aus jeder geopolitischen Verantwortung entziehen kann, ist die eine Seite der Medaille, die wir von der AfD kennen, die sich bekannterweise ja auch weigert, die Shoah, den Massenmord an sechs Millionen Jüdinnen und Juden und die Ermordung von politischen Gegner*innen als Teil der deutschen Geschichte zu akzeptieren. Ebenfalls erschreckend ist es, wenn man sich den geforderten „Frieden“ einmal vor dem Hintergrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine auf der Zunge zergehen lässt. Diese Männer, die gerade im Rathaus bei Canapés und Sekt „Frieden“ fordern, fordern gleichzeitig etwas, das sich ungefähr mit „Hände weg von Russland“ umschreiben ließe. Nicht nur, dass hier eine Täter-Opfer-Umkehr par excellénce stattfindet, nein! Mit solchen Parolen nimmt man mindestens in Kauf, dass sich die Massaker von Cherson, Butscha und Dnipro wiederholen und lässt einem Diktator den Weg frei, die Ukraine in seinen neuen Hegemonialstaat einzugliedern. Das kann kein Frieden sein, der diesen Namen verdient und den man unterstützen kann!

Erlaubt mir noch eine kurze Randnotiz, weil mich und viele von euch das Thema sicherlich auch beschäftigt: Herr Blex ist nicht nur begeisterter Kriegsgebietstourist, er nennt sich auch „Energiepolitiker“. Aus dieser Warte heraus fordert er eine „ideologiefreie Energiepolitik“. Diese Maxime scheint für ihn aber nicht zu gelten – in seinen Redebeiträgen schießt er gegen Klimaaktivist*innen – ah, pardon, Klimaterrorist*innen – jedweder Coleur und „zerstört“ in 3 Minuten die Windkraft, anstatt zu fragen, was nun wirklich für steigende Energiepreise sorgt und warum besonders Menschen im Präkariat frieren mussten. Aufgepasst, Herr Blex! Das liegt nicht etwa daran, dass wir den Planeten nicht noch länger brennen sehen wollen und einen sofortigen Kohleausstieg fordern – das liegt an der Profitgier von RWE und der kapitalistischen Verwertungslogik. 


Die AfD hat es in den letzten Jahren geschafft, die Grenzen des Sag- und Handelbaren immer weiter zu verschieben. Das ist ihnen bislang derartig gut gelungen, dass die Narrative, die 2014 als unsagbar galten, nun wie selbstverständlich im politischen Diskus aufgenommen werden.Als die Identitäre Bewegung 2015 ein Boot charterte, um damit Geflüchtete auf dem Mittelmeer an der Flucht nach Europa zu hindern, haben wir sie ausgelacht. Was vor nicht allzu langer Zeit als wahnsinnig galt, ist heute die seit Jahren von der EU geförderte staatliche Linie in der Flüchtlungspolitik. Getragen und unterstützt von allen Parteien im deutschen Parlament, umgesetzt von den Schlächtern der „Libyschen Küstenwache“.Das, was die AfD sät, fällt auf besonders fruchtbaren deutschen Boden. 


Genug jedoch der Kritik an der AfD. Mindestens genau so wichtig ist es heute Abend, uns als radikale Linke und besonders der „bürgerlichen Mehrheitsgesellschaft“ mit ihren Parteien und Zeitungen den Spiegel vorzuhalten. Hier in Münster brüsten wir uns immer stolz damit, dass die AfD die schlechtesten Wahlergebnisse im Bund einfährt und wir doch so weltoffen seien. Ich möchte fragen: wie kann es dann in dieser weltoffenen Stadt jedes verdammte Jahr dazu kommen, dass sich eine rechtsradikale Partei hier trifft, um sich selbst abzufeiern? Scheinbar reicht es den meisten von uns, im Kampf gegen die Neue Rechte am Wahltag das Kreuzchen nicht bei der AfD zu setzen.  Aber das scheint ja nun irgendwie nicht zu reichen. Trotz schlechter werdender Wahlergebnissen kann eine ehemalige AfD-Abgeordnete mit anderen Faschos und Reichsbürger*innen einen Staatsstreich inklusive Hinrichtungen aller ihrer Feinde planen; trotz schlechter Wahlergebnisse können deutsche Cops und deutsche Soldaten unbehelligt in Chatgruppen gegen nicht „Biodeutsche“ hetzen, die Shoah leugnen, Schwarze Menschen in Gefägniszellen anzünden oder sie auf offener Straße erschießen, wie es letztes Jahr mehrfach passiert ist. Flüchtlingsheime brennen, Verschwörungserzählungen, die vor Antisemitismus strotzen, sind spätestens seit Corona wieder an der Tagesordnung und zu Beginn des Jahres wurde erneut eine rassistische Integrationsdebatte angestoßen. Diese Integrationsdebatte wurde nicht etwa von der AfD angeführt. Sie wurde unter anderem vom Parteivorsitzenden der Volkspartei CDU maßgeblich in Gang gesetzt.Und die anderen Parteien folgen brav. Die SPD bringt direkt weitere Gesetzesverschärfungen auf den Weg, die FDP und die Grünen stehen nickend daneben und begründen diese Repressalien mit den „harten Zeiten“. 


Das Problem ist auch, aber eben nicht nur die AfD. Die AfD ist der Auswuchs einer sich immer mehr offenbarenden autoritären, regressiven Tendenz in diesem Land. Es gibt sie in den anderen Parteien, es gibt sie in den Institutionen dieses Landes. Um diesen starken Wind von Rechts aufzuhalten, hilft es nur, sich ihm entschlossen entgegenzustellen. Es hilft hingegen garnichts, sich darauf zu verlassen, dass dieser Staat oder sonst wer uns vor dieser Barberei schützen kann und wird. Und eine Selbstbeweihräucherung wegen schlechter Wahlergebnisse eines einzelnen Symptoms dieser Entwicklung bringt erst recht nichts. 


Heute, wie an allen anderen Tagen des Jahres auch, muss man sich ins Gedächtnis rufen, dass Antifaschismus Handarbeit war, ist und bleibt. Dass das gute Leben für alle nur antiautoritär erstritten werden kann und außerhalb der bürgerlichen Mitte stattfinden wird. Lasst uns diesen Faschos da drinnen den Abend versauen. Lasst uns ihnen zeigen, dass wir sie weder hier noch sonst wo haben wollen. Lasst uns ihnen die Hölle heiß machen, mit allen Mitteln!