Was für Millionen Menschen auf der Welt bereits seit Jahren eine jährlich wiederkehrende Realität darstellt konfrontierte nun im wahrsten Sinne des Wortes sinnflutartig auch hunderttausende Menschen in West- und Süddeutschland. In den vergangenen Tagen hat die Naturkatastrophe in Form des Hochwassers über hundert Menschen das Leben gekostet. Es zerstörte das Zuhause von tausenden Menschen in NRW, Hessen, Bayern und Rheinlandpfalz.
Das Auftreten Laschets diese Tage personifiziert dabei die Hilflosigkeit dieser Gesellschaft im Umgang mit menschengemachten Krisen. Wenn Laschet verlautbart: „Weil jetzt so ein Tag ist, ändert man nicht die Politik“, liest sich es in diesem Zusammenhang wie eine Kurzeinführung in den Begriff der Ideologie: Aus Naturgesetzen wird ein Zufall, aus potentiell Veränderbarem ein Naturgesetz. Die Aussagen stellt dabei ein Appeasement mit dem Tod und darin ein Scheitern von Zivilisation dar. Die Mischung von Korruption, Inkompetenz, Zynismus und offener Parteinahme für einzelne Kapitalfraktionen durch Armin Laschet stellt freilich einen klassischen Gegenstand unter dem Niveau aller Kritik dar. Wüste Beleidigungen sind das einzige was ihm gercht wird . Jede differenziertere Kritik wäre bei solchem Gegenstand verschwendet: Perlen vor die allergrößte Sau.
So verpflichtet uns jetzt die Anteilnahme am Leid der Betroffenen, Angehörigen, Hinterbliebenen und Freund*innen zum Begreifen dessen, was geschehen ist.
Auch wenn es auf den ersten Blick wie eine zufällige und katastrophale Konstellation von Tiefdruckgebieten scheinen mag, warnen Wissenschaftler*innen und Soziale Bewegungen wie Fridays for Future oder Ende Gelände seit Jahren davor, dass Extremwetter-Phänomene und Naturkatastrophen, vermehrt auftreten werden – Das Hochwasser ist also alles andere als ein Zufall. Es sind Folgen eines Klimakollaps. Es ist die Konsequenz einer auf fossile Energien setzende und unnachhaltig Naturressourcen verzehrende Produktion. Eine Produktion die aufgrund der inneren Logik des Kapitalismus nicht ohne Weiteres überwunden werden kann, ohne den Kapitalismus selbst zu überwinden.
In den vergangenen Jahren wurde der RWE-Tagebau Garzweiler zum Sinnbild dieser alles in die Krise treibenden Produktion in der Region. Es wurde zum Kristallisationspunkt für Protest die sich gegen eine Produktion wendet, die das hydrogeologische Gleichgewicht der Region destabilisiert, die CO2 Emissionen nachhaltig stärk, dystopisch anmutende Landstriche und verlassene Dörfer hinterlässt. Wenn dann RWE zur Sicherung ihres Profits das Hochwasser im Tagebau als erstes abpumpt, es in die Erft leitet und so den Pegel in naheliegenden Dörfern zusätzlich steigert, ist der Ausruf „Nach mir die Sintflut!]“ dieser Tage wortwörtlich zu nehmen.
Der Kapitalismus braucht endloses Wachstum. In dieser Feststellung sind wir uns sogar mit den sogenannten Wirtschaftsexpert*innen einig. Welcher Erzählung wir aber nicht auf den Leim gehen, ist, dass dieses Wachstum sich vom Ressourcenverbrauch entkoppeln lässt. Grünes Wachstum ist ein ideologischer Zaubertrick. Man wirft uns entgegen: Der finanzialisierte Kapitalismus sei zu undurchsichtig und komplex und das wir die Funktionsweise des Systems nicht durchdringen könnten. Stattdessen sollen wir uns von irgendwelchen VWL- und BWL-Clowns erklären lassen, was machbar ist und was nicht. Währenddessen steigen die jährlichen CO2-Emissionen fast ohne Unterbrechung. In der jüngeren Geschichte gab es nur zwei Jahre, in denen weniger CO2 ausgestoßen wurde als im Vorjahr: 2009 und 2020 – denn im Zuge der Bankenkrise und im Verlauf der Corona-Pandemie brach das globale Wirtschaftswachstum ein.
Eine Umkehr dieses Zusammenhangs ist nicht absehbar, aber heißt das auch, dass eine Entkopplung schlicht unmöglich ist? Deutschland brüstet sich zum Beispiel damit, dass hier entgegen der weltweiten Entwicklung die Emissionen seit den 1990ern trotz relativ konstantem Wachstum leicht gesunken sind. Abgesehen davon, dass die Zahlen nach wie vor auf einem zerstörerisch hohen Niveau stagnieren, hat Deutschland nicht die Geheimformel für einen grünen Kapitalismus entdeckt. Die deutsche Wirtschaft agiert weiterhin auf einem Weltmarkt, und über den Ressourcenverbrauch des Exportweltmeisters sollten sich keine Illusionen gemacht werden. Wenn zum Beispiel ein in Stuttgart produzierter SUV in Peking Diesel verbrennt, verdient die deutsche Industrie daran. Und wenn im Ausland produzierte Kleidung, Technik oder sonst etwas in Deutschland konsumiert werden, bleiben die dabei produzierten Emissionen rein rechnerisch im Ausland. Beide Fälle findet sich nicht in den Statistiken für Deutschland wieder, auch wenn die Bundesrepublik, ihre Unternehmen und die allermeisten ihrer Bewohner*innen von den so produzierten Gütern profitieren.
Der Kapitalismus wird von dem unhintergehbaren Zwang angetrieben, Geld zu reinvestieren, um durch die Produktion von ständigen neuen und immer mehr Waren Profite für ebendiesen Kreislauf zu machen. Plusmacherei ohne Ende, oder: bis zum bitteren Ende. Der Kapitalismus frisst wortwörtlich die Erde auf. Durch technische Innovationen können einzelne Unternehmen die jeweils notwendige Arbeitszeit für die Herstellung ihrer Ware verringern und erlangen so einen Wettbewerbsvorteil. So lange, bis die anderen Unternehmen nachziehen. Dieses Prinzip führt dazu, dass immer mehr Zeug in immer weniger Zeit produziert wird und der Kram auch noch verscherbelt werden muss. Die Waren degenerieren immer schneller zu ästhetisch oder praktisch unbrauchbarem Ramsch, dessen sich entledigt werden muss, um durch das immer neuere Modell ersetzt zu werden. Die riesigen Müllinseln in den Meeren und Schrottberge auf dem Land sind eingängliches Zeugnis davon, dass im Kapitalismus Ressourcen verwendet.
Den generellen Widerspruch von Kapitalismus und Natur kann auch ein Grüner Kapitalismus nicht lösen. Er muss ihn in sich aufnehmen. Gleichwohl bestimmt von FDP bis zum Green New Deal der Mythos einer systemimmanenten Krisenlösung die Diskussion um die Bewältigung der Klimakrise. Aber der Mythos wird langsam als solcher sichtbar: Diese Krise ist keine Krise eines fehlenden politischen Willens oder fehlender ökonomischer Anreize, sondern eine Systemkrise. Der Kapitalismus hat es in kurzer Zeit geschafft, die Menschheit an den Rand des Verderbens zu manövrieren. Seine grüne Spielart vermag es nicht, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, sondern nur noch tiefer hinein. Wird die Produktion effizienter, werden nicht weniger Ressourcen verbraucht, sondern die Effizienzsteigerung wird genutzt, um mehr zu produzieren. Zudem profitieren Staaten in der Weltmarktkonkurrenz davon, besonders laxe Umweltgesetze zu haben und können dadurch gute Standorte für besonders energie- oder ressourcenintensive Industrie bieten.
Für uns ist klar, dass die Produktionsmittel demokratisiert werden, müssen und an die Stelle des kapitalistischen Wachstumszwangs eine vernünftige Organisation der gesellschaftlichen Reproduktion treten muss.
Kratzen wir am Prestige des grünen Kapitalismus, wo es nur geht! Die aktuellen Krisen wie die des Hochwassers werden sich nicht aufhalten lassen, solang es nicht um gesellschaftliche Veränderungen geht, die ein ganz anderes Ganzes zum Ziel haben. Klingt schwer nach Utopie, ist aber die einzig realistische Antwort auf die Klimakrise – Irrational und verträumt sind vielmehr jene, die ein »Weiter so« propagieren. Es bleibt dabei >>System change not climate change<<