– Die Perspektive
Tatsächlich ist die bürgerliche Gesellschaft, die durch Kapital und Staat synthetisierte Gesellschaft, ein Unding. Sie ist irrationales (und damit Unmenschliches: Gewalt,Zwang, Herrschaft), dass sich als Rationales darstellt und vermittelt (und damit als Menschliches: Gewaltloser Austausch von freien und Gleichen gemäßeinem allgemeinen Prinzip). Das macht Sie quasi-automatisch, hinter den Rücken der Menschen und doch durch diese Hindurch. In der Tat, sie bringt einezutiefst unmenschliche Welt hervor, die durch ein Haufen Scheiße und gekennzeichnet ist: Ausbeutung, Arbeit,Gewalt, Zwang, Geschllechternormierung, Naturzerstörung, Rassismus, Antisemitismus, Angst und Ohnmacht. Die ganze alte Scheiße eben.
Diese Verhältnisse begreifen zu wollen, heißt daher:(materialistische) Kritik dieser zu treiben. Selbstverständlich heißt dasdurchzublicken, wie sie Funktionieren: Diesen Verhältnisse ihre eigene Melodie vorsingen. Nicht aber um sie in einer „Theorie“zu verdoppeln, sondern: um diese Verhältnisse auseinanderzunehmen und – wie es weiterheißt – sie zum Tanzen zu bringen.Eine solche Kritik heißt schon von Anfang an, sich mit diesen Verhältnissen und die sie begleitenden Überzeugungen ins Handgemenge zu begeben und nichtsdavon zu ersparen.
Tut man so lebt man Vernunft als Leidenschaft für das vonHerrschaft befreite Leben aller Individuen: Von dieser Leidenschaft ist Kritik bekanntlich der Kopf. Solche Theorie als Kritik treibt von selbst auf eine Praxi shin, die auf die Wahrheit dieser Gesellschaft abzielt: Ihre praktischeNegation, ihre Überwindung in der befreiten Gesellschaft: die Herrschaftsfreivermittelte Gesellschaft, die freie Assoziation, in der die Entfaltung einer*s jeden die Bedingung für die freie Entfaltung aller ist, die Abschaffung derAngst, die wahre Versöhnung von Individualität und Allgemeinen. Nennen wir esruhig: Kommunismus.
Und doch lässt sich diese Praxis der Aufhebung nicht einfach von der Theorie ableiten, sie ist „Hinzutretendes“ und von günstiger Gelegenheit abhängig. Gerade deshalb braucht sie Theorie als Kritik um nicht selber regressiv zu werden.
– Die Themen
Mit der Vortragsreihe wollen wir ein paar Grundzutaten für eine solche Kritik in Theorie und Praxis sammeln:
Wie lässt sich kapitalistische/bürgerliche Gesellschaft (nicht) begreifen? Was hat es mit Fetisch, Wert, Realabstraktion und Realsubsumtion, Automatisches Subjekt,Charaktermaske and so on auf sich? Warum ist Kapitalismus eine vermittelte undunpersönliche Herrschaftsform?
Warum kann man nicht eine Kritik der politischenÖkonomie machen, ohne von Anfang an eine Kritik von Recht und Staat miteinzubeziehen? Warum steckt im Normalvollzug des Kapitalismus allerlei Gewaltdrin, die schon immer rassistisch, Sexistisch, Antisemitisch ist, aufNaturkatastrophe hintreibt und einer quasi-kolonialen Aufteilung der Weltbedarf?
Warum ist Kapitalismus nicht ohne Krise zu haben? Wie verhält sich die bürgerliche Gesellschaft zu ihren Krisenbewältigungsstrategien: Autoritäre Formierung, Faschistische Regression,Negative Aufhebung in der Volksgemeinschaft und im Vernichtungsantisemitismus? Warum ist diese Regression in der bürgerlichen Gesellschaft angelegt, ohne dassman sagen kann, dass Faschismus lediglich das wahre Gesicht der liberalen Gesellschaften ist?
Was ist das Versprechen der bürgerlichen Gesellschaft, die diese nicht nur nicht einlösen kann, sondern selbst verhindert? Warum sollte man nicht nur Abwehrkämpfe gegen das normale Elend und seine Zuspitzungen führen?
Wie kann es gelingen, sich von „der ganzen alten Scheiße zu befreien?