Suche Frieden – Aber für wen?
Am 12.05.2018 fand die Demonstration „keine Bühne der AFD“ in Münster statt. Anlass war, dass der Katholikentag ein öffentliches Podium mit Volker Münz organisierte. Münz ist Bundestagsabgeordneter der AFD aus Baden-Württemberg und positioniert sich im rechtskonservativen Flügel der ohnehin schon rechten Partei. Wir stehen solidarisch und geschlossen hinter der Forderung des Bündnisses „Kein Meter den Nazis Münster“ der AFD keine Bühne zu bieten. Dennoch geht unsere Kritik darüber hinaus. Wir haben beschlossen ein Transpi mit der Aufschrift „Suche Stress – gegen Kirche, Herrschaft, Vaterland“ auf der Demonstration zu tragen. Der Slogan „Suche Stress“ stellt dabei eine Anlehnung an das Motto des Katholikentag „Suche Frieden“ dar.
In der folgenden Stellungnahme möchten wir begründen, warum wir es für richtig hielten, den Kontext der Demonstration, gegen die Teilnahme der AFD am Katholikentag, auch für eine breitere Kritik zu nutzen. Hierbei können wir keine umfassende, oder auf Vollständigkeit basierende, Religionskritik liefern. Vielmehr möchten wir den Katholikentag als konkretes Event und die damit einhergehende gesellschaftliche Einbettung thematisieren. Um Missverständnissen vorzubeugen halten wir es trotzdem für sinnvoll ein paar einleitende und allgemeine Sätze zu Religion und Glaube zu formulieren.
Uns geht es explizit nicht darum den Glauben einzelner Menschen zu kritisieren oder gar anzugreifen. Hierbei betrachten wir es als notwendig eine begriffliche sowie inhaltliche Trennschärfe zwischen Glaube und Religion zu betonen. Auch wenn wir davon ausgehen, gesellschaftliche Verhältnisse am besten über einen materialistischen Weg zu analysieren und somit die soziale Konstruiertheit aller vermeintlichen Tatsachen im Mittelpunkt steht, möchten wir niemandem das Recht absprechen sein* oder ihr* persönliches Leben nach Paradigmen des Glaubens auszurichten. Für uns stellt Religion in diesem Zusammenhang die Institutionalisierung des Glaubens dar. Die Kritikpunkte, die es an jener Institution zu üben gibt, sind in ihrer konkreten Ausprägung vielseitig und sollen hier nicht den zentralen Stellenwert einnehmen. Viel eher ist es uns wichtig zu betonen, dass Religion, sobald sie genutzt wird, um den Glauben des einzelnen Individuums zu verbreiten, und es zu dem maßgeblichen Paradigma für das Leben anderer Menschen gemacht wird, zu kritisieren ist. Wir positionieren uns klar gegen jeden religiösen Fundamentalismus.
„[…]So impliziert der Imperativ “Suche Frieden”, der diesen Katholikentag leitet, immer zugleich den Auftrag “Schaffe Gerechtigkeit”. […] Dabei werden die Aspekte im Kleinen wie im Großen in unterschiedlichen Veranstaltungsformen ausgefaltet und an den großen gesellschaftlichen Themen wie Migration, innere und äußere Sicherheit, Europa, globale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, Bewahrung der Schöpfung deutlich gemacht.“ (Katholikentag 2018, Münster)
Wenn das Motto des Katholikentages 2018 also „Suche Frieden“ und „Schaffe Gerechtigkeit“ ist stellt sich für uns die Frage: Für wen eigentlich?
Schon Tage vor der Großveranstaltung erhielten diverse Haushalte die kostenlose Zeitschrift in der für christliche Themen geworben wurde und den Katholikentag ankündigte. Unter anderem wurde der „Marsch für das Leben“ in Berlin unterstützt. Dabei handelt es sich um Abtreibungsgegner*innen wie sie auch alljährlich in Münster unter dem Namen „1000 Kreuze für das Leben“ marschieren. Das in diesem Gebetszug propagierte Weltbild impliziert reaktionäre Vorstellungen von Geschlecht, Sexualität und Familienleben: Queere Identitäten werden abgelehnt, Homosexualität und alle Formen des Begehrens abseits der heterosexuellen Zweierbeziehung verachtet. Selbstbestimmte Schwangerschaftsabbrüche setzen sie mit dem Holocaust gleich. Die in ihrer Argumentation enthaltene Geschichtsverfälschung, sowie die autoritären Vorstellungen und ihr Antifeminismus machen sie anschlussfähig für Personen und Gruppen aus dem völkisch-rechten Spektrum, wie zum Beispiel der Identitären Bewegung, Neonazis und der AFD.
Die Unterstützung solcher Gebetszüge durch die Katholische Kirche, sowie die generelle Haltung jener Institution gegenüber Menschen, die sich jenseits der binären Zweigeschlechtlichkeit definieren, stellt für uns einen reaktionären Antifeminismus da.
Auch jenseits der Märsche fürs Leben, propagiert die katholische Kirche ein patriarchales Bild von Sexualität und Geschlecht. Die weibliche Sexualität wird einzig und allein über die Reproduktion des menschlichen Lebens definiert, demnach sind Frauen reine Geburtsmaschinen, eigenes Begehren und eine sexuelle Selbstbestimmung wird ihnen demnach verwehrt. Des Weiteren werden Menschen, deren Begehren sich nicht in das binäre System der Zweigeschlechtlichkeit einordnen lässt, tabuisiert und verteufelt. So stellt sich die Kirche bis heute gegen die Ehe für Alle.
So stellt sich hier berechtigterweise die Frage: Friede, aber für wen? Wohl nur für heterosexuelle Menschen, die sich in dem System der Zweigeschlechtlichkeit definieren?
Neben vielen weiteren wichtigen Themen stellt der Krieg gegen die kurdische Bevölkerung in Rojava einen der aktuellsten Konflikte dar. Leider mussten wir feststellen, dass trotz des Mottos „Schaffe Frieden“ keine einzige Veranstaltung zu diesem Thema angesetzt wurde. Verwunderlich?
Was ist los in Münster?
Auf der einen Seite müssen kurdische Demonstrationen über die Promenade laufen, damit es zu bloß zu keinen Verkehrsbehinderungen kommt und bei einer Protestkundgebung gegen die ehemals geplante ZAB (Zentrale Ausländer Behörde) erachtet die Stadt es nicht mal mehr für nötig einzelne Busse umzuleiten und schickt diese direkt durch die Kundgebung. Aber auf der anderen Seite wird für einen Katholikentag mehrere Tage die ganze Innenstadt lahmgelegt. Da fragen wir uns, was ist da los? Dabei geht es uns nicht darum uns über eingeschränkte Mobilität zu beschweren, oder Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Vielmehr stellen wir fest, wie in Münster Prioritäten gesetzt werden.
Dadurch, dass sich der Organisator*innenkreis des Katholikentages dafür entschieden hat der AfD ein Podium zu bieten, erklären sie die Ansichten der Partei für sagbar. Damit verpasst die Katholische Kirche die Chance klar Stellung gegen völkische, sexistische und rassistische Hetze zu beziehen. In Anbetracht der gesamtgesellschaftlichen Verhältnisse verwundert es nicht, dass sich der Katholikentag zum Steigbügelhalter der Reaktion macht.
Ja, wir suchen Stress, mit einer sich immer autoritärer formierenden Gesellschaft. Mit einem antifeministischen Rollback. Mit nationalistischer Hetze.