Redebeitrag: Kein Europa der Vaterländer. Seebrücke 18.05. Münster

Seebrücke, Münster

Vorlage für den Redebeitrag bietet der Aufruf „Kein Europa der Vaterländer. Kein Vaterland Europa“ von der Kampagne Nationalismus ist keine Alternative

In einer Woche finden die EU-Wahlen statt. Gewählt werden soll zwischen neoliberaler Verteidigung des Status Quo und autoritärer Zuspitzung. Die einen inszenieren Europa als Paradies der Menschenrechte der Wenigen, die anderen haben ihren Fokus auf dem Ausbau der Mauern und Zäune an den Grenzen Europas zum Leiden von Vielen. Unsere Antwort darauf ist grenzenlose Solidarität und der Kampf für etwas besseres als die Nation!

Die Festung Europa kennzeichnet sich durch ihre menschenverachtende Abschottungspolitik aus!

Während Italien die Seenotrettung weiter kriminalisiert, immer weniger Menschen es über das Mittelmeer nach Europa schaffen, schiebt Deutschland weiter fleißig mit dem Flugzeug nach Afghanistan und andere Kriegsgebiete ab. Wie ist das möglich? Die Antwort liegt in einem Ineinandergreifen vom völkischen Mob auf der Straße, rechten Parteien in den Parlamenten und einem scheinbar ohnmächtigen Bürgertum – einem Bürgertum, das die Monster des Faschismus mit hervorbringt sich dann zu fein ist, sie wieder auf ihre Plätze zu verweisen. Lieber beschließt es eine Verschärfung des Asylrechts nach der anderen und baut gleichzeitig seine Abschottungsmaschinerie weiter aus. Der Rechtsruck wird sich auch zur Europawahl erneut bemerkbar machen. Nicht immer sind sich die rechten Akteur*innen einig – finden sich aber dennoch als „natürliche Verbündete“ (Jörg Meuthen) in ganz Europa. Lega Nord, AfD, FPÖ, Jobbik-Partei und viele mehr sind sich zumindest in einem einig: ein „Europa der Vaterländer“ soll gegen eine vermeintliche „EudSSR“ (vereinigtes Europa) in Stellung gebracht werden.
Auf Einladung Salvinis fand ein Treffen zwischen AfD und Lega Nord statt, wobei man sich darauf einigte, nach der EU-Wahl eine gemeinsame Fraktion mit dem Namen “Alianz der Völker und Nationen” im Parlament zu gründen. Ziel ist die zersplitterten rechtsaußen-Abgeordneten im Parlament zusammen zu bringen und ihren Vernichtungsphantasien eine gemeinsame Plattform zu geben

Und genau deshalb rufen wir dazu auf, sich überall und mit allen Mitteln gegen diese Tendenz zu stellen. Lasst uns gemeinsam gegen die Festung Europa und ihre Fans kämpfen. Egal, ob auf Podiumsdiskussionen, an Infoständen oder auf dem Arbeitsplatz. Wer rassistische, sexistische, antisemitische und andere menschenverachtende Propaganda betreibt, muss auf entschlossenen Widerstand stoßen. Wir solidarisieren uns mit allen Menschen, die den Wahlkampf der AfD und anderer rechtsaußen Parteien sabotieren. Das ist gelebter Antifaschismus und steht im Gegensatz zu denjenigen, die sich lediglich darauf berufen – ihr Handeln jedoch nicht daran messen lassen wollen. Wer immer noch mit Rechten reden will, kann und will es einfach nicht begreifen! Dass sie sich nicht “entzaubern” lassen, dass jede Einladung bereits ein Erfolg ist und dass es ihnen nicht um ein Diskussion geht. Sie nutzen jede Möglichkeit ausschließlich dafür, ihre Hetze an prominenter Stelle zu platzieren! Für uns ist klar: Keine Bühne der AfD! – nicht auf Podiumsdiskussionen und nicht in den Parlamenten!

Außerdem möchten wir uns solidarisieren mit den Menschen, die sich der perfiden europäischen Abschottungs- und Abschiebepolitik wiedersetzen. Unsere Solidarität gilt allen Seenotretter*innen, deren Arbeit auf so viele Weisen erschwehrt wird. Unsere Solidartät gilt weiter allen Pilot*innen, die sich weigern Abschiebeflüge durchzuführen. Dank euch fielen im letzten Jahr 506 Abschiebeflüge aus. Insgesamt wurden durch zivilen ungehorsam 1637 Abschiebungen verhindert. Daran zeigt sich, wir alle können dabei helfen, Menschenleben zu retten! Lasst uns die Tatsachen schaffen, vor denen sich die Politik scheut!

Diejenigen die jetzt europäische Werte hochhalten, stellen leider nicht den Gegenpol zum Rückzug ins Nationale dar. Der Neoliberalismus ist dafür das beste Beispiel. Er befindet sich spätestens seit der Banken- und Finanzkrise im Wanken. Spardiktate für den Süden Europas hier und später ein Brexit dort resultieren aus der Krisenhaftigkeit des kapitalistischen Wirtschafssystems.
Der Standort-Nationalismus eines Macrons und die Mobilmachung des völkischen Nationalismus sind lediglich zwei unterschiedliche Seiten der selben Medallie.

Wo die politische Praxis darin besteht, den nationalen Wirtschaftsstandort gegenüber anderen Staaten der Welt zu verteidigen und Menschen nach ihrer Verwertbarkeit selektiert werden, folgt eine logische Konsequenz: Abschottung nach außen. und ein Schüren der Angst im Innern.

Und genau darin besteht ein ausschlaggebender Grund für den Zulauf für rechte Parteien und Bewegungen. Sie knüpfen an die neoliberalen und scheinbar alternativlosen Realitäten an.

Soziale Konflikte werden von rechts kulturalisiert und rassifiziert. Eine gefühlte und bewusst geschührte Angst wird instrumentalisiert.

Die daraus resultierenden Ressentiments und Affekte werden durch die Rechten, aber schon lange nicht mehr nur durch sie, mit einem stabilen diskursiven Rahmen und gesellschaftlicher Legitimität versehen.

Dieses Phänomen beschreiben wir als autoritäre Formierung von Staat und Gesellschaft. Konkrete Auswirkungen sind bereits jetzt spürbar. Überall werden die Befugnisse der Polizei und anderer Ordnungsbehörden ausgeweitet. Journalist*innen stellen ernsthaft die Frage zur Diskussion, ob man Menschen an den europäischen Außengrenzen nicht einfach ertrinken lassen solle. Demokratiefeindliche Einstellungen nehmen wieder zu. Die Ergebnisse der letzten Mitte-Studie zeigen uns dabei wie weit wir gesammtgesellschaftlich in den letzten Jahren abgedriftet sind.

Unsere Aufgabe kann aber nicht mehr nur einzig und allein darin bestehen einen schlechten Status Quo zu verteidigen. Für uns ist klar: es gibt Alternativen zur Realität des europäischen Kapitalismus.
Es gibt Alternativen zur Realität der europäischen Abschottungspolitik gibt.

Die aktuellen sozialen Bewegungen, wie Fridays for Future, der internationale Frauen*streik und die Kämpfe um Verteilungs- und Wohnraumfragen im Rahmen des europaweiten Aktionstags gegen #Mietenwahnsinn liefern einen guten Ausgangspunkt. Diese Bewegungen liefern Antworten auf die Krise des Klimas, der Reproduktion und der Ökonomie.

Auch die Kampagne Seebrück zeigt, dass eine Organisation von unten möglich ist. An immer mehr Stellen, an denen Staatliche Organe versagen stehen Menschen auf und verleihen eigenen Überzeugungen gehör.

Die aktuellen sozialen Bewegungen liefern einen guten Anknüpfungspunkt für eine gemeinsame linke Intervention im Rechtsruck. Wenn die Großdemos für ein liberales Europa stattfinden, wollen wir für eine Alternative jenseits staatlicher Grenzen, nationalistischer Spaltungen und den Verwertungszwängen des Kapitals eintreten. Erteilen wir den unterschiedlichen Varianten nationaler Interessenspolitik und rassistischer Hetze eine nachhaltige Absage. Zeigen wir, dass eine andere, eine bessere Welt möglich ist!

Nationalismus ist keine Alternative: Die befreite Gesellschaft schon