Redebeitrag: Über die Organisierte Traurigkeit dieser Welt. Gegen Lager, Abschiebung und Abschottung

Der Beitrag wurde im Dezember 2020 vor der
ZUE (Zentrale Unterbringunseinrichtung) in Münster gehalten

Die organisierte Traurigkeit dieser Welt hat in den letzten Jahren vielfach die Hoffnung auf ein besseres Leben zerstört. Eine Welt, von der wir behaupten sie sei verrückt, ohne eine bessere zu kennen. In den Letzen Wochen hat die mörderische Politik der Entrechtung und Ausgrenzung in Deutschland und Europa wieder neue traurige Höhepunkte erreicht.

Wir sprechen von zwei Meldungen die größere mediale Aufmerksamkeit erlangten:

Aus Lesbos erreicht uns die bestürzende Nachricht von Ärzt:innen, dass sie nichts so häufig behandeln würden, wie Kinder die von Ratten gebissen werden.

Und in Deutschland darf, nach 9-monatiger Aussetzung, wieder nach Afghanistan abgeschoben werden. Pünktlich zur Zeit der Besinnlichkeit und Nächstenliebe machte die Bundesregierung so das größtmögliche Geschenk für alle Menschenfeinde und ihre Fans. Fröhliche Weihnachten.

Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen – das ist die Methode, mit der Deutschland abschiebt, nicht erst im Krisenjahr 2020, sondern schon immer. Denn wer nichts sieht, hört und sagt, der realisiert auch nicht, was Abschiebungen bedeuten: Sie sind immer Ausdruck einer mörderischen Abschottungspolitik. Diese Politik hat nichts als Verachtung übrig, für Menschen auf der Flucht, die ihre Familien zurücklassen mussten, sich  in der Hoffnung auf ein besseres Leben Gewalt an den Grenzen aussetzen mussten

Dieses Verachten zeigt sich auch genau hier; wo Menschen inmitten einer globalen Pandemie ohne Abstand, ohne Hygienemaßnahmen unter unwürdigen Bedingungen und in ständiger Angst vor Abschiebungen leben müssen.

Zeitgleich schmücken all jene in familiärer Trautsamkeit ihre Weihnachtsbäume, die sich in den letzten Tagen selbst isolieren konnten. Fröhliche Weihnachten.

Doch Abschiebungen sind weder zufällig noch passieren sie einfach so. Sie sind Ausdruck der Alltäglichen Gewalt unserer Gesellschaft.

Konkurrenz als Sinn des Lebens. Wir alle stehen uns als Konkurent:innen um das Viele was es gibt aber nur wenigen gehört gegenüber. Den Kampf um das scheinbar unendliche Wachstum können nur wenige gewinnen. Willkommen im Wahnsinn. Der Kapitalismus produziert unglaubliche Reichtümer aber die meisten Menschen können gerade mal davon träumen. Sie sind gefangene in den Lagern dieser Welt oder stehen mit dem Rücken zur Wand, während die nächste Rationalisierungswelle unaufhaltsam auf sie zurast.

Das ist seine grundlegende Gewalttätigkeit. Vom Menschen selbst gemacht soll er uns als natürlich vorkommen. Eine Krise folgt der nächsten. Er ist die Krise selbst. der permanente Widerspruch; Die permanente Traurigkeit 

Da wo die Krise zuschlägt befördert sie Ressentiments und Aggressionen. Sie richten sich gegen Minderheiten – Gegen Muslim:innnen, Jüdinnen, Migrantinnen, Homosexuelle, Obdachlose, Faule, Wer aber seinen Nachbarn erschlägt kann nicht Seite an Seite mit ihm aufbegehren. Ob mit den eignen Händen oder als Aufforderung an den Staat noch mehr Menschen im Mittelmeer ertrinken zu lassen; das Ergebnis ist am Ende das Gleiche: massenhafter Tod.

Worauf aber weder die Nationalisten noch die Rassisten jemals kommen würden, ist zu fragen warum die Welt so eingerichtet ist wie sie ist. Als Antwort schallt der Ruf der liberalen Gesellschaft nach Freiheit überall durch die Medien. Aber was für eine Freiheit soll das sein. Die Waren reisen frei durch die Welt. Mit dem richtigen Pass und genügend Kleingeld können Wir die ganze Welt entdecken. Ob mit Rucksack durch die Favela oder auf einem Martini am schönsten Strand der Welt. Doch nicht alle haben die Visacard im Badeanzug.

Es ist keine neue Einsicht, dass das gute Leben erst dann anbricht, wenn wir es selbst in die Hand nehmen.

All die Kämpfe, die wir führen; antifaschistische Abwehrpolitik, praktischer Antirassismus und Feminismus, unsere Auseinandersetzung um Bildung und Arbeit, all die nächtlichen Aktionen voller Wut und Hoffnung sind richtig und wichtig. Doch diese Kämpfe sind vergebens, wenn wir nicht verstehen dass sie zusammenhängen. Dafür gehen wir jeden Tag gemeinsam auf die Straße; jede Aktion, jede Demo, jedes solidarische Handeln ist ein kleiner leuchtender Funke in der alltäglichen Traurigkeit und kann ein Leuchtfeuer der Solidarität entzünden.

Eine andere, eine solidarische Welt ist möglich.  Diese kann aber nur auf den Trümmern der alten Ordnung errichtet werden. Die Geschichte ist nicht zu ende.