Rede zusammen mit „NoLimit“ auf der Demo „Gegen jedes Lager! Bleiberecht für alle!“ – 27.3.2021

Wir möchten heute ein paar Dinge zu Polizeigewalt und Rassismus sagen.

1.

Dafür gab es im letzten Jahr viele Anlässe – auch wenn es das, was im letzten Jahr sichtbarer wurde, schon lange gibt. 

George Floyd wurde ermordet – weil er Schwarz war.

George Floyd wurde ermordet – von einem Polizisten.

George Floyd wurde ermordet – von einem Rassisten.

Er wurde Opfer von einem Rassisten, rassistischer Verhältnisse und einer rassistischen Institution.

Als weißer wäre ihm das erspart geblieben.

Die Weltweiten Black Lives Matter Proteste haben ein Bewusstsein gestärkt für die Notwendigkeit antirassistischer Kämpe überall.

181 People of Color sind laut der Initiative Death in Custody seit 1992(!) in Gewahrsam oder durch den Gebrauch von Schusswaffen in Zusammenhang mit polizeilichen Maßnahmen ermordet worden.

Angezündet in Dessau, rücklinks erschossen in Hannover, stranguliert in Zwickau, verbrannt in einer Zelle in Kleve: Wir werden Oury Jalloh, Halim Dener, Iliaz M., Amed Ahmad, und die 177 anderen Menschen nicht vergessen. Den Bullen werden wir ihnen Ihre Gewalttaten nicht vergeben. Es bleibt dabei: All Cops Are Bastards.

Und wir werden genau hinschauen, wenn Menschen, wie neulich Qosay K. in Delmenhorst, während sie in Polizeigewahrsam waren, sterben.

2.

Aber warum ist das so?

Erstmal: Es gibt übedurchschnittlich viele Polizist*innen, die Rassist*innen und Freunde von Faschos und Nazis sind – auch wenn man darüber keine Studien machen will. Die, die nicht so sind, teilen meistens das implizite, gewöhnliche rassistische Bewusstsein dieser Gesellschaft.

Aber wir wollen hier keine Erklärung geben, die bloß auf das Bewusstsein der Einzelnen Polizist*innen zurückgreift. Die Gründe für Polizeigewalt muss man in der Form dieser Gesellschaft suchen und in der spezifischen Aufgabe, die die Institution der Polizei hat. (Das ist auch der Grund, by the way, warum es nicht mit Antirassismus-Workshops bei der Polizei nicht getan ist).

Der Ruf der liberalen Gesellschaft nach Freiheit schallt überall durch die Medien. Aber was für eine Freiheit soll das sein? Die Waren reisen frei durch die Welt. Mit dem richtigen Pass und genügend Kleingeld können Wir die ganze Welt entdecken. Ob mit Rucksack durch die Favela oder auf einem Martini am schönsten Strand der Welt. Doch nicht alle haben den Reisepass im Badeanzug:

Diese Gesellschaft setzt auf vielen Ebenen auf den Ausschluss und die Abwertung von Menschen, die rassistisch markiert werden – und reproduziert diese ständig.

Abwertung und Auschluss findet dabei in vielerlei Hinsicht statt:

Es trifft Menschen, die in Regionen Leben, in denen sie aus der Produktion und Verteilung von Reichtum ganz ausgeschlossen sind und schauen müssen, wie sie überleben.

 Wenn es gut geht, dürfen sie Teil haben an der Produktion von Reichtum – aber nur durch Arbeiten die als minderwertig gelten: Ob im Anbau von Lebensmitteln, im Bergbau, im Verkauf des Überflusses der reicheren Regionen – oder als Bedienstete für Touris am schönsten Strand der Welt.

Auch Sie sind Staatsbürger*innen – allerdings von Staaten, die deutlich weniger Ressourcen zur Verfügung haben, um Anteil am Weltmarkt zu haben, um Rechte, Bildung und soziale Absicherungen zu garantieren. Wie wenig bestimmte Staatsbürgerschaften zählen zeigt sich dann auch darin, dass man, wenn man den falschen Pass hat, nicht ohne weiteres in andere Länder einreisen kann.

Das gilt aber auch für Menschen, die die Länder erreichen, in denen mehr Reichtum (und oft damit einhergehend: Mehr Rechte, mehr Bildung usw.) vorhanden ist. Sie werden oft illegalisiert und müssen sich anstrengenden und zermürbenden Verfahren unterziehen, um überhaupt in diesen Regionen anwesend sein zu dürfen.

Dazwischen steht die ganze Gewalt der Grenzkontrollen und des Systems der unterschiedlichen Lager für Flüchtende. In dieser ganzen Zeit wird ihnen unverkennbar gemacht: „Ihr gehört nicht hier hin! Bleibt weg!“. Wenn Menschen doch z.B. in europäischen Ländern bleiben dürfen, müssen sie sehen, wie sie überleben können. Die Arbeiten, zu denen sie Zugang haben, sind oft schlecht bezahlt und wenig geschätzt (auch wenn oft unersetzbar!). Überhaupt werden sie an den Peripherien des Raumes gezwungen und haben weniger Möglichkeiten der Teilhabe am Leben dieser Gesellschaft. Das kann auch dazu führen, dass man leichter in Situationen gerät, die am Rande der Legalität stehen oder mit sich eine Stigmatisierung mitführen. Sie werden aktiv kriminalisiert. Diese Reale Verdrängung am Rand der Gesellschaft, in Arbeiten, die als weniger Wertvoll gelten und weniger Geld bringen, in Räume die als „Gefährlich“ zählen, verbindet sich mit den rassistischen Vorurteilen. Und so werden Menschen, die rassistisch markiert werden, gleichzeitig aktiv benachteiligt und als Bedrohung oder Störfaktor dargestellt.

An jeder Stelle dieser Mechanismen des Ausschlusses, steht die Polizei. Und zwar nicht, weil es eine Rassit:innenbande ist (ist sie oft genug auch!). Sondern genau weil sie das macht, was sie tun soll: Sie ist die Institution, die dafür sorgen soll, unter impliziter oder direkter Androhung von Gewalt, dass das, was zum Gesetz gemacht wurde, auch durchgesetzt wird. Doch das, was als Gesetz gilt, schützt nicht nur individuelle Rechte, einigermaßen gute Institutionen und gesellschaftliche Abläufe, sondern auch die Normalität der Mechanismen des Ausschlusses, die wir gerade Beschrieben haben. Sie schützt eine Idee von repressiver Gleichheit, die tatsächlich zum Vergleich und zur Abwertung führt.

Es sind Polizei und Frontex, die Menschen an den Grenzen aufhält und bekämpft. Es ist Polizei, die die schon in sich gewalttätige Abschiebungen mit Gewalt durchsetzt. Es ist Polizei, die um den Bahnhof Menschen, die nicht wie der vermeintliche Durchschnittsbürger Aussehen, kontrolliert: davon ausgeht, dass sie Kriminell sein könnten und nebenbei checkt, ob sie einen gültigen Aufenthaltstitel haben – und wenn nicht, dich mal eben aus diesem Land jagt. Die Polizei sagt an jede dieser Stellen „Bleib an deinem Platz!“. Und wenn jemand hinschaut, um zu protestieren, ist es die Funktion der Polizei zu sagen: „Geh weiter! Es gibt nichts zu sehen!“ – das weiß jede und jeder, die sich eine auf racial profiling basierende Polizeikontrolle näher angeschaut hat.

Aber diese Polizei bekräftigt nicht nur ein Gesetz, dass faktisch rassistische Folgen hat. Auch die Weise, wie sie es tut, ist oft explizit rassistisch. Das mag auch mit der Einstellung vieler Polizist*innen verbunden zu sein. Auf Grund der Verhältnisse, ist es wahrscheinlicher für eine Person, die Rassifiziert wird, in eine Polizeikontrolle oder in Polizeigewahrsam zu landen. Dass sie aber dabei zu oft riskiert, ihr Leben zu verlieren, hat mit was anderem zu tun: Das Leben rassifizierter Menschen wird von vielen, unbewusst oder ganz bewusst, als minderwertig, weniger Schützenswert oder gar als Bedrohung betrachtet. Das machen gerade Cops gerne – dort wo sie nicht waschechte Rassisten sind, die ihre Gewalt ausnutzen, um ihren Rassismus tatkräftig umzusetzen.

3.

Unser Kampf richtet sich gegen diese Verhältnisse, die mit Gewalt, Leid, Elend und Ausschluss produzieren. Dieser Kampf kann nicht dort halt machen, wo diese Gewalt vom Recht gedeckt und von der Polizei durchführt wird.

Lasst uns solidarisch organisieren und vernetzen, um Zusammen den Normalbetrieb dieser Maschine zu durchbrechen. Lasst uns so organisieren, dass wir jede neue Abschiebung in die Quere kommen können, und jeder potentielle rassistische Mörder – auch in den Behörden! – entwaffnet wird!